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Das Magdalena-Evangelium: Roman

Das Magdalena-Evangelium: Roman

Titel: Das Magdalena-Evangelium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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Unzahl an Informationen und ein bisschen zu viel Rotwein ganz wirr im Kopf war. Das ist eine ziemlich nutzlose Übung, dachte sie. Ich werde heute Nacht kein Auge zutun.
    Doch als Maureen sich dem üppigen Komfort des großen Bettes überließ, kam der Schlaf binnen Minuten. Ebenso wie der Traum.

    Die zierliche Frau unter dem roten Schleier folgte mit klopfendem Herzen den Männern, versuchte mit ihren langen Schritten mitzuhalten. Es ging um alles oder nichts – jeder von ihnen ging ein furchtbares Wagnis ein, für sie jedoch war es das größte Wagnis ihres Lebens.
    Rasch eilten sie die Außentreppe hinab; hier war der gefährlichste Punkt. Hier waren sie den neugierigen Blicken des nächtlichen Jerusalem ausgesetzt. Sie konnten nur beten, dass die Wachen, wie abgesprochen, nicht mehr auf ihren Posten waren.
    Als sie die unterirdische Pforte erreicht hatten, wechselten sie erleichterte Blicke. Keine Wächter. Ein Mann blieb draußen auf dem Posten. Der andere Mann, der sich in dem Gefängnis auskannte, führte die Frau durch die gewundenen Gänge. Er hielt vor einerschweren Tür und holte einen Schlüssel hervor, den er in den Falten seiner Tunika verborgen hatte.
    Der Mann warf der Frau einen Blick zu und sagte ein paar eindringliche Worte. Alle drei wussten, dass ihnen wenig Zeit blieb, wenn sie keine Entdeckung riskieren wollten – und keiner wusste das besser als sie.
    Der Mann drehte den Schlüssel im Schloss und öffnete die Tür, um sie einzulassen. Dann machte er rasch hinter ihr zu, damit die Frau und der Gefangene ungestört waren.
    Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte; auf jeden Fall nicht das. Ihr schöner Mann war roh geschlagen worden, daran bestand kein Zweifel. Seine Kleider waren zerrissen, sein Gesicht trug die Blutergüsse von Schlägen. Doch trotz seiner Verletzungen begrüßte er sie mit einem Lächeln voller Wärme und Liebe, als sie sich in seine Arme warf.
    Er umarmte sie nur kurz, da ihnen keine Zeit blieb. Dann nahm er sie bei den Schultern und erteilte ihr entschiedene, eindringliche Weisungen. Sie nickte, immer und immer wieder, versicherte ihm, dass sie verstünde, dass alle seine Wünsche erfüllt werden sollten. Zuletzt legte er seine Hand sanft auf die Schwellung ihres Leibes und gab ihr eine letzte Anweisung. Als er alles gesagt hatte, fiel sie ihm ein letztes Mal um den Hals, tapfer die Tränen unterdrückend, so gut sie es vermochte.

    Schluchzen erschütterte auch Maureen. Sie weinte hemmungslos, vergrub ihr Gesicht in den Kissen, um nicht gehört zu werden. Peters Zimmer war das nächste, und sie wollte auf keinen Fall seine Aufmerksamkeit erregen.
    Dieser Traum war der schlimmste von allen gewesen. Er war zu real, zu lebendig. Aufs Neue durchlebte sie die Last und den Schmerz der Frau, spürte die Dringlichkeit der Anweisungen, die sie empfangen hatte. Und Maureen wusste auch, warum diesso war: Es waren Jesu Christi letzte Weisungen, und er hatte sie Maria Magdalena am Vorabend des Karfreitags gegeben.
    Eine Anordnung jedoch war für Maureen bestimmt gewesen. Sie hatte die Stimme des Mannes an ihrem Ohr gehört – war es tatsächlich ihr Ohr gewesen? Oder war es Marias Ohr? Sie hatte Maria von außen beobachtet und doch alles gefühlt, was die Frau in sich spürte. Und sie hatte die letzte Weisung gehört.
    »Deine Zeit ist gekommen. Geh, und sorge dafür, dass unsere Botschaft weiterlebt.«
    Maureen setzte sich im Bett auf und versuchte zu denken. Doch sie merkte, dass sie nun auf ihren Instinkt hören musste. Und auf etwas anderes – etwas Geheimnisvolles, das nicht durch Logik oder Verstand zu erklären war. Es ging darum, mit dem Herzen zu vertrauen, nicht mit dem Verstand zu analysieren.
    Über das Languedoc hatte sich die Nacht gesenkt, eine schwarze seidige Nacht mit einem vollen Mond, dessen Strahlen in Maureens Zimmer schienen. Mondlicht traf das liebliche Gesicht der Maria Magdalena in der Wüste auf Riberas Bild, die gen Himmel schaut und auf göttliche Weisung wartet. Maureen beschloss, Marias Weisung zu folgen.
    Und zum ersten Mal, seit sie acht Jahre alt gewesen war, begann sie zu beten.

    Maureen hätte später nicht sagen können, wie lange es gedauert hatte, bis sie die Stimme vernahm. Sekunden? Minuten? Es spielte keine Rolle. Sie erkannte sie sofort. Es war die Stimme, die sie im Louvre gehört hatte, dieselbe beharrliche, flüsternde Frauenstimme, der sie folgen musste. Diesmal rief die Stimme ihren Namen.
    »Maureen. Maureen …« , wisperte es,

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