Das Magdalena-Evangelium: Roman
ein letztes Mal anzuschauen und ihr seinen letzten Gedanken mitzuteilen. Er legte eine Hand auf sein Herz.
»Ich werde immer bei dir sein.«
Johannes der Täufer war nicht so leicht zu beeinflussen, wie Hannas und der Rat der Priester gedacht hatten.
Als sie mit ihrem Vorschlag zu ihm kamen, zürnte Johannes ob ihres Mangels an Rechtschaffenheit und nannte sie Schlangenbrut. Er erinnerte sie, dass es bereits einen Messias gebe, seinen Vetter Jeshua, einen von Gott erwählten Propheten, und dass er, Johannes, nicht würdig sei, in seine Fußstapfen zu treten. Die Hohepriester entgegneten, dass das Volk Johannes als den größeren Propheten bezeichne, als den Erben des Elias.
Doch Johannes antwortete: »Ich bin nicht, was ihr behauptet.«
»Dann sage uns doch, wer du bist, damit wir es dem Volke Israel sagen können, das dir als Prophet und König folgen würde«, forderten sie ihn auf.
Doch Johannes antwortete auf seine rätselhafte Art: »Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft.«
Er schickte die Pharisäer fort, doch der schlaue junge Priester Kaiphas hatte Johannes’ rätselhafte Verkündigung: ›Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft‹, als Anspielung auf den Propheten Jesaja verstanden. Wollte Johannes sich damit selbst als Propheten bezeichnen? Wollte er die Priester irgendwie auf die Probe stellen?
Die priesterlichen Gesandten kehrten am nächsten Tag wieder, und diesmal baten sie Johannes um die Taufe. Er bestand auf ihrer Sühne für alle begangenen Sünden, dann würde er esin Erwägung ziehen. Dies wurmte die Priester, doch sie wussten, dass sie nach Johannes’ Regeln spielen mussten, falls sie ihn nicht als Schlüsselfigur ihrer Strategie verlieren wollten. Die Taufe durch Johannes würde ihre Stellung bei den Massen stärken, die Johannes bereits als Propheten bezeichneten – und genau darum ging es.
Nachdem die Priester ihrer Reue Ausdruck verliehen hatten, tauchte Johannes sie in den Jordan, doch er warnte sie gleichzeitig: »Ich taufe euch nur mit Wasser. Der aber, der nach mir kommt, ist in den Augen Gottes mächtiger als ich.«
Nachdem die Menschenmenge sich zerstreut hatte, blieben die Priester bei Johannes und legten ihm ihren Plan vor. Johannes aber wollte nichts davon hören. Am meisten widerstrebte ihm, eine Frau zu nehmen, und schon gar nicht eine Frau, die mit seinem Vetter verlobt gewesen war. Doch der Rat war auf Johannes’ Einsprüche vorbereitet, hatte sie aufgrund seiner Heftigkeit vom Vortag gründlich vorausbedacht. So sprachen die Priester über Lazarus, den rechtschaffenen Mann aus dem Hause Benjamin, und betonten, wie sehr der gute Mann fürchte, seine fromme Schwester werde durch ihre Heirat dem Einfluss der Nazarener ausgesetzt sein.
Bei dieser Enthüllung zuckte der Täufer zusammen. Die Nazarener waren der Stachel in seinem Fleisch. Obgleich er der Prophezeiung anhing, dass Jeshua der Auserwählte war, betrachtete er mit wachsender Sorge den Weg, den sein Vetter zusammen mit den Nazarenern beschritt, die unverhohlen das Gesetz missachteten. Johannes brachte die Unterredung zu einem Ende und entließ die Gesandten. Die Priester gingen, ohne ihm eine Entscheidung abgerungen zu haben.
Später erschien Isa am Ufer des Jordan, um das Versprechen einzulösen, das er dem Hannas gegeben hatte. Eine große Zahl seiner Anhänger folgte ihm, und das Treffen zweier so berühmter Männer brachte die Menschen in Scharen herbei. Johannes streckte eine Hand vor, um Isa am Nähertreten zu hindern.
»Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir ?«, fragte er. » Du bist doch der Auserwählte Gottes.«
Hierauf lächelte Isa. »Vetter, lass es nur zu. Denn nur so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen.«
Johannes nickte und zeigte weder Überraschung noch Ablehnung ob Isas unverhohlener Hinnahme des Unabänderlichen. Dies war das erste Mal seit der Einmischung der Hohepriester, dass sie zusammentrafen, die erste Gelegenheit, einander einzuschätzen. Der Täufer führte Isa außer Hörweite der Menschenmenge und sprach in wohl überlegten Worten, um den Standpunkt des Cousins zu ergründen.
»Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam.«
Isa sagte nichts darauf; er nickte nur zum Zeichen seines Einverständnisses.
Johannes fuhr fort. »Der Freund des Bräutigams aber, der dabeisteht und ihn hört, freut sich über die Stimme des Bräutigams. Ich kann es mit Freuden annehmen, dein selbstloses Geschenk der Gerechtigkeit, wenn du es wirklich aus freien
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