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Das Magdalena-Evangelium: Roman

Das Magdalena-Evangelium: Roman

Titel: Das Magdalena-Evangelium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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Seelen.
    Maria Magdalena aber sorgte sich, was mit Judas Ischariot geschehen war. Jairus war in Josefs Haus gekommen und hatte nach ihm gefragt, denn bei ihrem letzten Treffen kurz nach der Verhaftung, so sagte er, sei Judas in einer schrecklichen Verfassung gewesen. Spät in jener Nacht hatte er Jairus anklagend gefragt: »Warum hat er mich für diese Tat ausgewählt? Warum wurde ich erwählt, um dieses Verbrechen gegen mein Volk zu begehen?«
    Während Maria den treuesten Anhängern erklärt hatte, dass Judas Isa auf dessen Befehl hin an die Priester verraten hatte, wussten jene außerhalb des engsten Kreises nichts davon. Und so sollte der Name Judas in Jerusalem zum Synonym für »Verräter« werden, zu einer Bezeichnung, die sich rasch in ganz Israel ausbreiten sollte. Der Ruf, den Judas damit erwarb, war ein Unrecht von vielen, die sich auf diesem Weg des Schicksals und der Prophezeiung ereigneten. Maria betete darum, eines Tages dieses Missverständnis aufklären, den Namen Judas’ reinwaschen zu können. Doch noch wusste sie nicht, wie sie es bewerkstelligen sollte.
    Judas aber sollte nie erfahren, ob es Maria gelang, ihm die verlorene Ehre zurückzugeben. Denn es war bereits zu spät; eine weitere Tragödie hatte sich an jenem düsteren Nachmittag zugetragen. Da Judas nicht akzeptieren konnte, dass sein Namenun auf ewig mit dem Tod seines Herrn und Meisters verbunden sein würde, hatte er sich am Tag der Finsternis das Leben genommen. Er wurde an einem Baum hängend vor der Stadtmauer Jerusalems gefunden.

    Maria Magdalena schlief unruhig in dieser Nacht. Zu viele Bilder gingen ihr im Kopf herum, zu viele Erinnerungen. Und da war noch etwas. Es begann als Gefühl der Beklommenheit, als vage Empfindung, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie erhob sich von ihrem Lager und ging leise durch Josefs Haus. Es war noch dunkel, eine Stunde vor Morgengrauen. Niemand war wach, und im Haus war alles, wie es sein sollte.
    Dann wusste sie es. Maria fühlte den Blitz der Prophezeiung, der Wissen mit Sehen verband. Isa. Sie musste zu Isas Grab gehen. Dort würde etwas geschehen. Noch zögerte sie. Sollte sie Josef wecken oder einen der anderen, damit er sie begleitete? Petrus vielleicht?
    Nein! Dies geht nur dich etwas an!
    Maria hörte die Antwort in ihrem Kopf, und doch war sie wie ein Widerhall im ganzen Haus. In ihren Glauben und ihren Trauerschleier gehüllt schlich sich Maria Magdalena leise zur Haustür. Als sie draußen war, rannte sie, so schnell ihre Beine sie tragen wollten, zur Grabstätte.
    Es war immer noch dunkel, als Maria den Garten erreichte, wo das Grab lag. Der Himmel hatte eine tiefrote Farbe angenommen, ein Zeichen, dass es bald tagen würde. Im schwachen Licht sah Maria, dass der gewaltige Stein – die Platte, die fast ein Dutzend starke Männer erfordert hatte – vom Grab weggewälzt worden war.
    Mit angstvoll klopfendem Herzen eilte sie auf die Öffnung zu. Sie duckte sich, betrat das Grab und sah sogleich, dass Isa fort war. Seltsamerweise war Licht im Grab, ein unirdischesLeuchten, das die Kammer erhellte. Maria erkannte deutlich die Leinenbinden auf der Steinplatte. Der Abdruck von Isas Körper war noch auf ihnen erkennbar, aber das war auch der einzige Beweis, dass er hier gewesen war.
    Was war hier geschehen? Hassten die Priester Isa so sehr, dass sie seinen Leichnam gestohlen hatten? Nein, das war gewiss nicht der Fall. Wer hätte so etwas tun können?
    Nach Luft ringend, taumelte Maria aus der Grabkammer ins Freie. Dort brach sie zusammen und weinte, weil sie glaubte, dass Isa weiteres Unrecht widerfahren sei. Während sie weinte, schickte die Sonne ihre ersten Strahlen über den Himmel. Da hörte sie eine Männerstimme hinter sich.
    »Frau, warum weinst du? Wen suchst du?«
    Maria schaute nicht sofort auf. Sie nahm an, es handele sich um den Gärtner, der am frühen Morgen kam, um Gras und Blumen rings um die Gräber zu pflegen. Dann fragte sie sich, ob dieser Mann vielleicht etwas gesehen hatte und ihr helfen könnte. Durch Tränen hindurch sprach sie, als sie ihren Kopf hob: »Jemand hat meinen Mann weggeholt, und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat. Wenn du weißt, wo er ist, sage es mir bitte.«
    »Maria«, kam die schlichte Erwiderung; es war die vertraute Stimme, unmissverständlich die seine. Maria erstarrte, voller Angst, sich umzudrehen, nicht wissend, was sie vorfinden würde. »Maria, ich bin hier«, sagte er.
    Maria Magdalena drehte sich in dem Augenblick um, als die

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