Das Magdalena-Evangelium: Roman
ihm. Weder dient er mir noch ich ihm – wir dienen in brüderlicher Eintracht, wie es die Regeln des Weges vorschreiben.
Die Familien Sinclair und Gelis haben das Versprechen geleistet, der Magdalena zu dienen, und dies schon so lange, wie sich die Abstammung zurückverfolgen lässt.«
Tammy schaltete sich ein. »Maureen, weißt du noch, wie ich dir im Tour Magdala in Rennes-le-Château von dem alten Pfarrer erzählt habe, der im späten achtzehnten Jahrhundert ermordet worden ist? Sein Name war Antoine Gelis – er war Rolands Urgroßonkel.«
Maureen starrte Roland verwirrt an. »Warum denn nur all diese Gewalt gegen Ihre Familie?«
»Weil wir zu viel wussten. Mein Urgroßonkel hütete ein Dokument mit dem Titel ›Das Buch der Verheißenen‹, in der die Gesellschaft sämtliche Erscheinungen der Schäferin über einen Zeitraum von über tausend Jahren hinweg gesammelt hatte. Das Buch war unser wertvollstes Werkzeug, um den Schatz unserer Magdalena finden zu können. Der Orden der Gerechten hat meinen Urgroßonkel dieses Buches wegen ermordet. Und meinen Vater aus ähnlichen Gründen; denn er schrieb ein Buch über unsere Gesellschaft, in der auch Dinge über die Anhänger des Johannes standen. Damals wusste ich es noch nicht, aber der Informant war Jean-Claude. Sie haben mir den Kopf und den rechten Finger meines Vaters in einem Korb geschickt.«
Maureen schauderte ob der grausigen Enthüllung. »Wird es denn nun ein Ende finden, dieses Blutvergießen? Die Schriftrollen sind doch gefunden. Was, glauben Sie, wird dieser Orden jetzt tun?«
»Das ist schwer zu sagen«, erwiderte Roland. »Sie haben ein neues, sehr fanatisches Oberhaupt. Er ist der Mann, der meinen Vater töten ließ.«
»Ich habe heute mit den hiesigen Behörden gesprochen, undzwar mit denjenigen, die unseren Überzeugungen, na, sagen wir mal, einigermaßen freundlich gegenüberstehen«, fügte Sinclair hinzu. »Maureen, wir haben Ihnen noch nicht alles hierüber erzählt, aber erinnern Sie sich an Ihre Begegnung mit Derek Wainwright, dem Amerikaner?«
»Das war der Mann, der als Thomas Jefferson verkleidet war«, erklärte Tammy. »Mein alter Freund.« Sie schüttelte traurig den Kopf, als sie an die Jahre dachte, die Derek sie getäuscht hatte – und an sein wahrscheinlich tragisches Ende.
Maureen nickte und wartete darauf, dass Sinclair fortfuhr.
»Derek ist unter verdächtigen Umständen verschwunden. Sein Hotelzimmer wurde …«, er sah, wie Maureen immer blasser wurde, und beschloss, ihr die grausigen Details zu ersparen. »Sagen wir einfach, es besteht der begründete Verdacht, dass ihm etwas zugestoßen ist.«
Sinclair fuhr fort: »Die Behörden sind der Meinung, dass das Verschwinden des Amerikaners – der ja höchstwahrscheinlich ermordet wurde – ein so schlechtes Licht auf den Orden wirft, dass er vermutlich erst mal in der Versenkung verschwinden wird. Jean-Claude versteckt sich irgendwo in Paris, und der Führer hat sich wahrscheinlich in seine englische Heimat zurückgezogen, wenn auch nicht unbedingt für lange. Ich glaube nicht, dass der Orden uns in naher Zukunft belästigen wird. Hoffe ich zumindest.«
Maureen schaute plötzlich zu Tammy auf. »Jetzt bist du dran«, sagte sie. »Du hast mir auch noch nicht alles erzählt. Ich hab lange genug gebraucht, um das zu begreifen, aber jetzt würde ich gern den Rest erfahren. Außerdem möchte ich wissen, was zwischen euch beiden läuft.« Und sie deutete auf Roland und Tammy, die auf Tuchfühlung gegangen waren.
Tammy lachte ihr kehliges Lachen. »Du weißt ja, wie sehr wir es lieben, die Dinge so zu verstecken, dass sie jeder sieht. Wie lautet mein Name?«
Maureen zog die Stirn kraus. Was hatte sie jetzt wieder verpasst?»Tammy.« Und dann traf sie die Erkenntnis. »Tamara. Tamar-a. Meine Güte, was bin ich für eine Idiotin!«
»Bist du nicht«, sagte Tammy, immer noch lachend. »Aber es stimmt, ich wurde nach Magdalenas Tochter benannt. Und ich habe eine Schwester, die Sarah heißt.«
»Aber du hast mir doch erzählt, du wärst in Hollywood geboren! Oder war das auch gelogen?«
»Nein, nicht gelogen. Und überhaupt ist ›Lüge‹ so ein hartes Wort. Lass uns lieber von notwendigen Unwahrheiten sprechen. Aber es stimmt, ich bin in Kalifornien geboren und aufgewachsen. Meine Großeltern mütterlicherseits waren Okzitanier und gehörten der Gesellschaft an. Meine Mutter wurde auch im Languedoc geboren, aber nachdem sie durch ihre Freundschaft mit dem französischen
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