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Das Magdalena-Evangelium: Roman

Das Magdalena-Evangelium: Roman

Titel: Das Magdalena-Evangelium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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letzten Sonnenstrahlen die kleine Kirche auf dem Friedhof aufleuchten.
    Dieses Mal musste sie nicht am Tor vorbeigehen. Dieses Mal ging Edouard Paschals Tochter hoch erhobenen Hauptes hindurch. Nie mehr würde ein Angehöriger die letzte Ruhestätte seiner Lieben auf dem abseits gelegenen, überwucherten Begräbnisfeld aufsuchen müssen, zumindest auf diesem Friedhof nicht. Das Tor war versetzt worden, damit die vorher ausgeschlossenen Gräberfelder nun innerhalb des Friedhofs lagen, alles dank der Vermittlung und Förderung eines gewissen italienischen Kardinals.
    Der weiße Marmor des neuen Grabsteins schien von innen her zu leuchten. Ein üppiger Kranz aus Rosen und Lilien lehnte an dem Stein, und darüber befand sich eine große vergoldete dreigeflammte Wappenlilie und eine Inschrift:
     
    EDOUARD PAUL PASCHAL
    Geliebter Vater von Maureen
     
    Maureen kniete vor dem Grab nieder und hielt die lange überfällige Zwiesprache mit ihrem Vater.

    Maureen empfand einen nie gekannten inneren Frieden. Wenn sie an morgen dachte, wurde ihr zwar ganz mulmig zumute, aber es war mehr Aufregung als Furcht. Morgen sollte sie zum Mittagessen in New Orleans Angehörige des Paschal-Clans treffen – Tanten, Cousins und Cousinen, die sie nie im Leben gesehen hatte. Danach würde sie zum Shannon Airport in Irland fliegen und zu der kleinen Stadt im County Galway fahren, um der Farm der Healys einen Besuch abzustatten. Auch Peter wollte kommen. Es würde ihr erstes Wiedersehen sein, seit er das Château des Pommes Bleues verlassen hatte. Zwar hatten sie ein paarmal miteinander telefoniert, sich aber seitdem nicht mehr gesehen. Es war Peters Vorschlag gewesen, dass sie sich in Irland treffen sollten, weit weg von Menschen und neugierigen Blicken. Dort konnten sie in Ruhe reden, und er würde Zeit haben, ihr den Stand der Übersetzung des Magdalena-Evangeliums mitzuteilen.
    All dies dachte Maureen, während sie durch das French Quarter spazierte, das an diesem schönen Freitagabend im späten Oktober allmählich zum Leben erwachte. Da plötzlich trug der Wind die Klänge eines Saxophons heran. Maureen, der Musik folgend, bog um eine Ecke und erspähte den Musiker. Er hatte langes dunkles Haar, das seine abgezehrte, glühend begeisterte Erscheinung unterstrich. Als sie näher herantrat, schaute er auf, und ihre Blicke trafen sich für einen Moment.
    James St. Clair, der Straßenmusiker aus New Orleans, zwinkerte Maureen zu. Sie antwortete mit einem Lächeln und schritt weiter, während die Klänge von »Amazing Grace« ihren Spaziergang durch das French Quarter begleiteten.

Kapitel zweiundzwanzig
    County Galway, Irland
Oktober 2005
     
    Wenn die Sonne sinkt, tritt eine Ruhe im Herzen des ländlichen Irland ein, eine Stille, die sich über das ganze Land breitet. Es ist, als würde die Nacht Schweigen einfordern und alsbald jeden Widersacher des Friedens verschlingen.
    Für Maureen war dieser Friede die notwendige Ruhepause nach den aufregenden Monaten, die sie durchlebt hatte. Hier in der Abgeschiedenheit war sie sicher – es war eine Einsamkeit, die Herz und Geist wohl tat. Sie hatte sich nicht gestattet, die Ereignisse aus einer persönlichen Perspektive zu betrachten, das kam später dran. Vielleicht würde sie es auch niemals tun. Es war zu überwältigend, zu weitreichend … und zu absurd. Sie hatte ihre Rolle als Verheißene erfüllt, ob sie nun aus einer bizarren Laune des Schicksals oder von der göttlichen Vorhersehung dazu erwählt worden war.
    Ihr Werk war getan. Die Verheißene war eine Geistgestalt, die räumlich und zeitlich an das wilde Languedoc gebunden war – und frohen Herzens in Frankreich zurückgelassen wurde. Maureen Paschal jedoch war eine Frau aus Fleisch und Blut, und eine erschöpfte dazu. Sie nahm noch einen langen Atemzug von der süßen Luft, die sie an ihre Kindheit erinnerte, und zog sich dann zur lang ersehnten Ruhe in ihr Schlafzimmer zurück.
    Ihr Schlaf sollte nicht traumlos bleiben.

    Diese Szene sah sie nicht zum ersten Mal; eine in Schatten gehüllte Gestalt, die sich über einen altertümlichen Tisch beugte; eine kratzende Schreibfeder, aus der Worte auf das Papier flossen. Maureen schaute dem Schreibenden über die Schulter und meinte ein blaues Leuchten von den Seiten aufsteigen zu sehen. Sie war so davon gebannt, dass sie die Bewegung des Schreibenden nicht sofort bemerkte. Doch dann trat die Gestalt ins Lampenlicht – und Maureen stockte der Atem.
    Sie hatte dieses Gesicht bereits

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