Das Magdalena-Evangelium: Roman
einzige Verbündete in ihrem Leben, sie im Grunde doch nicht verraten hatte. Abermals jedoch hatte sie eine Vielzahl neuer Informationen zu verdauen.
»Und wie haben Sie das alles entdeckt?«, wollte sie wissen.
»O’Connors Ehrgeiz hat ihn verraten. Er hoffte, die Entdeckung des Evangeliums für seinen Aufstieg in der Kirchenhierarchie benutzen zu können. Damit hätte er mehr Macht erhalten, und der Zugang zu höherwertiger Information für seine Organisation und deren engstirnige Ziele wäre ihm erleichtert worden.« Der Kardinal grinste, nur eine Spur selbstgefällig. »Aber keine Angst. Da wir O’Connor und seine Verbindungsleute jetzt alle kennen, werden wir sie mit anderen Aufgaben beschäftigen. Unser Geheimdienst ist nun mal erstklassig.«
Das überraschte Maureen keineswegs. Sie hatte die katholische Kirche immer schon für eine allmächtige Organisation gehalten, die ihre Fangarme um die ganze Welt geschlungen hatte. Sie war die reichste Organisation auf dem Planeten und verfügte über die besten Ressourcen, die man für Geld kaufen konnte.
»Was wird denn nun mit Marias Schriftrollen geschehen?«, fragte Maureen und machte sich auf eine unerfreuliche Antwort gefasst.
»Wenn ich ehrlich sein soll, lässt sich das nicht so leicht sagen. Sicherlich verstehen Sie, dass diese Entdeckung die wichtigste unserer Zeit ist, wenn nicht überhaupt die allerwichtigste in der Geschichte der Kirche. Wenn diese Dokumente erst einmal authentifiziert sind, wird diese Angelegenheit auf höchster Ebene diskutiert werden müssen.«
»Hat Peter Ihnen gesagt, was darin steht?«
Der Kardinal nickte bestätigend. »Ja, ich habe ein paar seiner Anmerkungen gelesen. Signorina Paschal, es mag Sie überraschen, aber wir im Vatikan sitzen nicht den ganzen Tag auf dem Silberthron und hecken Verschwörungen aus.«
Maureen stimmte in sein Lachen ein. Dann wurde sie wieder ernst. »Wird die Kirche versuchen, mich daran zu hindern, über meine hier gewonnenen Erfahrungen zu schreiben – oder über den Inhalt der Schriftrollen?«
»Es steht Ihnen frei, zu tun, was Sie wollen, und zu gehen, wohin Sie wollen. Tun Sie, was Ihr Gewissen Ihnen rät. Wenn Gott durch Sie gewirkt hat, um uns Marias Worte zu offenbaren, dann steht es niemandem zu, Sie an der Ausübung Ihrer heiligen Pflicht zu hindern. Die Kirche ist nicht darauf aus, Informationen zu unterdrücken, wie die meisten so gern glauben. Die Kirche ist an Fortbestand und Weitergabe des Glaubens interessiert – und meiner persönlichen Überzeugung nach gibt uns gerade die Entdeckung des Magdalena-Evangeliums die Möglichkeit, mehr Menschen und jüngere Menschen in unsere Herde zu bringen. Aber«, er hielt mahnend eine Hand hoch, »ich bin nur eine der Stimmen im Rat. Ich kann nicht für die anderen sprechen, auch nicht für den Heiligen Vater. Die Zeit wird es zeigen.«
»Und was geschieht in der Zwischenzeit?«
»In der Zwischenzeit wird das Evangelium von Arques nach Maria Magdalena in der Bibliothek des Vatikans gehütet, unter dem wachsamen Blick eines gewissen Father Peter Healy.«
»Peter wird in Rom bleiben?«
»Ja, Signorina Paschal. Er wird die Arbeit der offiziellen Übersetzergruppe überwachen. Es ist eine große Ehre für ihn, die er aber unserer Meinung nach verdient hat. Und glauben Sie nicht, wir hätten Ihren Beitrag vergessen«, sagte der Kardinal und reichte Maureen eine Visitenkarte. »Hier ist meine Durchwahl in der Vatikanstadt. Wenn Sie Zeit haben, würde ich Sie gern einladen. Ich würde gern aus Ihrem Mund die ganze Geschichte hören, die Sie an diesen Ort führte. Oh, und Sie können auch Ihren Cousin unter dieser Nummer erreichen, bis er einen eigenen Anschluss hat. Er wird unmittelbar mir unterstellt werden.«
Maureen studierte die Visitenkarte. »Francesco Borgia DeCaro«,las sie laut. »Falls Sie meine Frage nicht zu dreist finden …«
Nun lachte der Kardinal laut heraus. »Ja, Signorina, ich bin ein Sohn der Blutlinie, so wie Sie eine Tochter sind. Sie werden überrascht sein, wie viele wir sind – und wo wir zu finden sind, wenn Sie wissen, wo Sie suchen müssen.«
»Der Mond steht im letzten Viertel, und es ist eine wunderbare Nacht. Geben Sie mir die Ehre, mich vor dem Schlafengehen auf einen Spaziergang durch den Garten zu begleiten?«, fragte Berenger Sinclair, nachdem der Kardinal sich verabschiedet hatte.
Gern willigte Maureen ein. Sie fühlte sich nun vollkommen wohl mit diesem Mann; es war ein Vertrauen, wie es zwischen
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