Das Magdalena-Evangelium: Roman
Claudia Procula persönlich für das Wagnis zu danken, das sie für Isa auf sich genommen hatte. Die Tragödie des Pontius Pilatus, als er Rom zu seinem Herrn wählte, bestand darin, dass diese Entscheidung ihm weder den Posten in Jerusalem rettete noch am Ende seinen Zielen diente. Herodes reiste tatsächlich am Tag nach Isas Leiden nach Rom, doch vor dem Kaiser sprach er nicht gut über Pilatus. Als wahrer Herodes verfolgte er ein anderes Ziel, wollte einen Vetter auf dem Posten des Prokurators sehen. Er träufelte sein Gift in das Ohr des Tiberius, und Pilatus wurde nach Rom zurückgerufen, wo ihm für seine Fehler, die er als Statthalter von Judäa begangen hatte, der Prozess gemacht wurde.
Bei dem Prozess wurden Pontius Pilatus’ eigene Worte gegen ihn verwendet. Er hatte Tiberius einen Brief geschickt, in dem er von Isas Wunderheilungen und den Geschehnissen am Tag der Finsternis berichtete. Die Römer verwendeten diese Worte gegen ihn, und als Folge wurden ihm nicht nur Titel und Stellung aberkannt, sondern er wurde auch des Landes verwiesen, und seine Güter wurden beschlagnahmt. Hätte Pilatus Isa begnadigt und sich gegen Herodes und die Hohepriester gestellt, wäre sein Schicksal genau das gleiche gewesen.
Claudia Procula blieb ihrem Ehemann selbst in den schlimmsten Zeiten treu. Sie erzählte mir, dass ihr kleiner Sohn Pilo nur wenige Wochen nach Isas Hinrichtung starb. Es gab keine Erklärung dafür; das Kind schwand vor ihren Augen dahin. Claudia erzählte mir, dass es sie zunächst all ihre Kraft gekostet habe, nicht ihrem Mann die Schuld am Tode ihres Kindes zu geben, doch sie habe gewusst, dass Isa das nicht gewollt hätte. Sie müsse nur die Augen schließen, dann sehe sie Isa vor sich, wie er Pilo heilte; an jenem Abend hatte Claudia Procula das Reich Gottes gefunden. Diese aristokratische Römerin hatte den Rechten Weg der Nazarener außerordentlich gut verstanden – und sie konnte ihn mühelos befolgen.
Claudia und Pilatus gingen nach Gallien, wo Claudia als Kind gelebt hatte. Sie erzählte, Pilatus habe den Rest seines Lebens mit dem Versuch zugebracht, Isa zu verstehen – wer dieser Mann gewesen war, was er gewollt, was er gelehrt hatte. Viele Jahre lang habe sie ihm erklärt, dass Isas Weg nicht etwas sei, auf das er seine römische Logik anwenden konnte. Man musste wieder wie ein kleines Kind werden, um die Wahrheit zu verstehen. Kinder sind rein, offen und ehrlich. Sie können Güte und Glauben ohne Rückfragen hinnehmen. Pilatus glaubte zwar nicht, die Lehre des Rechten Weges auf die gleiche Art annehmen zu können wie Claudia, doch auf seine Weise, das spürte sie, war auch er bekehrt worden.
Sie erzählte mir noch eine besondere Begebenheit, die sich am Tage vor ihrem Weggang aus Judäa ereignete. Pontius Pilatus war in den Tempel gegangen und hatte gefordert, mit Jonathan Hannas und Kaiphas zu sprechen. Er hatte verlangt, sie sollten ihm an diesem heiligsten Ort ihres Volkes in die Augen sehen und seine Frage ehrlich beantworten: War es nicht doch so, dass sie den Sohn Gottes hingerichtet hatten?
Ich weiß nicht, was mir außergewöhnlicher erscheint – dass Pilatus den Priestern diese Frage stellte oder dass beide eingestanden, einen schrecklichen Fehler gemacht zu haben.
Nach Isas Auferstehung zu unserem Vater im Himmel behaupteten einige Männer, unsere Anhänger hätten seinen Leichnam fortgeschafft. Diese Männer waren von den Hohepriestern bestochen worden, dies zu sagen; denn jene fürchteten einen schrecklichen Gegenschlag, sollten die Menschen jemals die Wahrheit erfahren. Dies haben Hannas und Kaiphas dem Pilatus gestanden. Er sagte seiner Frau, er glaube, diese Männer seien wahrhaft bußfertig; jeden Tag würden sie mit dem Wissen ihrer schrecklichen Tat leben müssen.
Wenn sie doch nur zu mir gekommen wären und mir berichtet hätten. Ich hätte ihnen die Lehren des Rechten Weges gezeigt und ihnen versichert, dass Isa ihnen vergeben hatte. Denn vondem Tage an, an dem das Reich Gottes in deinem Herzen erweckt wird, musst du nie mehr leiden.
Das Evangelium von Arques nach Maria Magdalena
Das Buch der Jünger
Kapitel einundzwanzig
New Orleans
Oktober 2005
Maureen steuerte ihren Mietwagen durch die pastellfarbene Abenddämmerung des amerikanischen Südens. Die Fenster waren heruntergelassen, und kühler Wind wehte herein wie eine Mahnung, dass der Sommer unwiderruflich vorbei und der Herbst gekommen war. Als Maureen auf den Parkplatz einbog, ließen die
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