Das Magdalena-Evangelium: Roman
sein Wissen oder seine Einwilligung. Und er ist der Financier einer Reihe von Forschungsunternehmen – meins eingeschlossen.« Tammy hob ihr Glas zu einem spöttischen Toast auf Sinclairs Großzügigkeit.
Maureen nippte an ihrem Tee und blickte nachdenklich auf den Umschlag in ihrer Hand. »Aber für gefährlich hältst du Sinclair nicht, oder?«
»O Gott, nein. Dafür ist er viel zu engagiert … obwohl er natürlich über das Geld und den Einfluss verfügt, Leichen einfach verschwinden zu lassen. He, das war ein Scherz! Was wirst du denn so grün im Gesicht? Und was Maria Magdalena betrifft,ist er vermutlich der größte Experte, den es gibt. Er könnte sich als sehr interessanter Kontakt für dich erweisen, wenn du dich dazu durchringen könntest, ein wenig offener zu sein.«
»Dann kann ich also davon ausgehen, dass du zu seiner Party gehst, ja?«
»Was ist das denn für eine Frage? Natürlich gehe ich! Ich habe mir schon ein Flugticket besorgt. Die Party ist übrigens am 24. Juni, also drei Tage nach der Sommersonnenwende. Hmmm …«
»Was?«
»Er führt etwas im Schilde; ich weiß nur nicht, was es ist. Er will dich am 21. Juni in Paris haben und dann seine Party am 24. – das ist die Mittsommernacht nach altem Kalender, aber auch das Fest von Johannes dem Täufer. Das verspricht wirklich äußerst interessant zu werden. Ich glaube nicht eine Minute daran, dass diese Daten Zufall sind. Wo will er, dass du dich mit ihm triffst?«
Maureen holte den Brief aus ihrer Tasche zusammen mit einer Karte von Frankreich, die sich dabei befunden hatte. Beides reichte sie Tammy.
»Schau her«, sagte Maureen. »Da ist eine rote Linie, die von Paris in den Süden Frankreichs führt.«
»Das ist der Meridian von Paris, meine Liebe. Er verläuft mitten durchs Herz des Magdalena-Landes … und durch Sinclairs Gut, wenn wir schon dabei sind.«
Tammy drehte die Karte um. Auf der Rückseite befand sich ein Stadtplan von Paris. Mit ihrem purpurroten Fingernagel fuhr sie die Straßen entlang und lachte lauthals auf, als sie die mit Rot markierte Stelle am linken Seineufer entdeckte.
»O Mann. Was hast du vor, Sinclair?« Tammy deutete auf den Stadtplan. »Die Kirche von Saint-Sulpice. Sollst du ihn da treffen?«
Maureen nickte. »Du kennst sie?«
»Natürlich. Eine riesige Kirche, die zweitgrößte der Stadtnach Notre Dame. Manchmal nennt man sie die ›Kathedrale des linken Ufers‹. Mindestens seit dem 17. Jahrhundert, nachdem sie neu aufgebaut wurde, ist sie als Ort für die unterschiedlichsten Aktivitäten von Geheimgesellschaften bekannt. Ich wünschte, ich hätte das früher gewusst; dann hätte ich einen anderen Flug gebucht und wäre ein paar Tage früher nach Paris gekommen. Ich würde viel darum geben, bei diesem Treffen dabei zu sein.«
»Ich habe noch nicht gesagt, dass ich gehen werde. Das alles kommt mir so verrückt vor. Ich habe keinerlei Kontaktdaten von ihm – keine Telefonnummer, keine E-Mail-Adresse. Er hat mich noch nicht einmal um Rückmeldung gebeten. Offenbar geht er schlicht davon aus, dass ich dort sein werde.«
»Er ist es gewohnt, zu bekommen, was er will, und aus irgendeinem Grund, den ich mir einfach nicht vorstellen kann, will er dich. Aber wenn du dich mit diesen Leuten einlässt, musst du aufhören, nach den Regeln der normalen Gesellschaft zu spielen. Sie sind nicht gefährlich, aber sie können ausgesprochen exzentrisch sein. Rätsel sind Teil ihres Spiels, und du wirst ein paar von ihnen lösen müssen, um dich des inneren Kreises als würdig zu erweisen.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich des ›inneren Kreises‹ würdig sein will.«
Tammy kippte den Rest ihres Margarita hinunter. »Das ist deine Entscheidung, Schwester. Ich jedenfalls würde mir eine solche Einladung um nichts in der Welt entgehen lassen. Ich denke, das ist eine einmalige Chance für dich. Geh als Journalistin hin – um zu recherchieren. Aber vergiss nicht: Wenn du erst einmal in dieses Mysterium vordringst, ist es, als wärst du durch einen Spiegel gegangen und in ein Kaninchenloch gefallen. Sei einfach vorsichtig … und halte dich an deiner Realität fest, meine konservative kleine Alice.«
Los Angeles
April 2005
Die Diskussion mit Peter war hitziger ausgefallen, als sie erwartet hatte. Maureen hatte gewusst, dass er mit ihrer Entscheidung, sich mit Sinclair in Frankreich zu treffen, nicht einverstanden sein würde, aber sie war nicht darauf vorbereitet gewesen, mit welcher Vehemenz er seine Position
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