Das Magdalena-Evangelium: Roman
Dunkelheiten an. Wir kämpfen gegen diese Dunkelheit, so gut wir können, aber wie auch unsere Vorfahren gewinnen wir nicht immer.
Doch eines ist sicher. Kein Versuch, uns auszulöschen, war hier je von Erfolg gekrönt. Wir sind immer noch Katharer, wir waren es immer, und wir werden es immer sein. Wir mögen unseren Glauben im Geheimen und nicht in der Öffentlichkeit ausüben, aber er ist heute ein Teil unseres Lebens, wie er es immer gewesen ist. Glauben Sie keinem Buch und keinem Gelehrten, die Ihnen etwas anderes erzählen.«
Als Maureen an diesem Nachmittag wieder ins Château zurückkehrte, wartete eine der Kammerzofen auf sie in ihrem Zimmer. »Der Coiffeur wird bald hier sein, Mademoiselle. UndIhr Kostüm ist eingetroffen. Falls ich Ihnen noch etwas bringen kann …«
»Nein, merci .« Maureen dankte der Zofe und schloss die Tür. Sie wollte sich vor der Party noch ein wenig ausruhen. Es war ein wunderschöner Tag gewesen; Maureen hatte so außergewöhnliche Dinge gesehen wie noch nie auf ihren Reisen. Aber das hatte sie auch erschöpft, und Rolands Enthüllungen über den Mord an seinem Vater hatten sie mehr als nur ein wenig nervös gemacht.
Als sie den Raum durchquerte, sah sie einen großen Kleidersack auf dem Bett. Da sie annahm, dass es sich dabei um ihr Kostüm handelte, öffnete sie ihn und holte das Kleid heraus. Es dauerte einen Moment, bis sie erkannte, was es war.
Sie hielt das Kleid vor das Gemälde von Ribera und sah, dass es vollkommen identisch mit dem voluminösen purpurroten Gewand war, das Maria Magdalena auf der Darstellung des spanischen Meisters trug.
Peter war nicht gerade erfreut ob der Vorstellung, ein Kostüm tragen zu müssen. Ursprünglich hatte er eigentlich gar nicht an dem Fest teilnehmen wollen; es kam ihm irgendwie unangemessen für einen Mann in seiner Stellung vor. Doch angesichts der eskalierenden Intrigen von Sinclair – und Maureens Reaktion darauf – war er fest entschlossen, sie nicht aus den Augen zu lassen. In diesem Fall bedeutete das, die kunstvolle Tunika aus dem dreizehnten Jahrhundert sowie die Beinkleider anzulegen, die man für ihn zurechtgelegt hatte.
»Mist«, knurrte Peter, als er das Kostüm aus dem Kleidersack nahm und versuchte herauszufinden, wo der Kopf durchmusste.
Peter klopfte an Maureens Tür und zupfte verlegen sein Kostüm zurecht, während er im Gang wartete. Der Hut würde vielleicht noch wegmüssen. Er war schwer, saß in einem unangenehmen Winkel auf seinem Kopf und erinnerte ihn ständig daran, wie lächerlich er aussah.
Die Tür öffnete sich, und eine verwandelte Maureen trat heraus. Das Ribera-Kleid passte ihr, als sei es für sie gemacht worden. Das mit Spitzen verzierte, schulterfreie Mieder ging in ein wahres Meer von prachtvollem purpurrotem Taft über. Maureens rotem Haar hatte der Friseur zusätzliches Volumen verliehen, und nun fiel es ihr wie ein glänzender Vorhang über die Schultern. Doch es war die neue und überraschende Aura ruhigen Selbstvertrauens, die von ihr ausstrahlte, die Peter besonders auffiel. Es war, als sei sie in eine Rolle geschlüpft, die schlicht perfekt zu ihr passte.
»Was denkst du? Ist das zu viel?«
»Definitiv. Aber du siehst … Du siehst aus wie eine Vision.«
»Interessante Wortwahl. War das Absicht?«
Peter zwinkerte und nickte. Er war froh, dass sie wieder miteinander scherzten und dass ihre Beziehung nicht allzu sehr unter dem Streit gestern Nacht gelitten hatte. Die Exkursion durch das außergewöhnliche Land der Katharer hatte ihnen beiden gutgetan.
Peter geleitete Maureen durch die gewundenen Gänge des Châteaus auf der Suche nach dem Ballsaal in einem abgelegenen Flügel. Maureen lachte, als er sich über sein Kostüm beschwerte.
»Du siehst wahrlich edel und schneidig aus«, versicherte sie ihm.
»Ich komme mir vor wie ein Papagei«, erwiderte er.
Carcassonne
24. Juni 2005
In einer uralten Kirche außerhalb der ummauerten Stadt Carcassonne wurde ein Event ganz anderer Art vorbereitet. Die erweiterte Mitgliederschaft des Ordens der Gerechten war dort in feierlichem Ernst versammelt. Über zweihundert formell gewandete Männer nahmen an dem Gottesdienst teil, und alle trugen sie die schweren roten Schlingen ihres Ordens um den Hals.
Es gab keine Frauen unter ihnen. Keine Frau hatte je die Versammlungsorte des Ordens oder ihre Privatkapellen entweiht. Plaketten, auf denen Zitate des heiligen Paulus zum Thema Frauen eingraviert waren, zierten jedes Gebäude des
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