Das Magdalena-Evangelium: Roman
Tür zu öffnen.
»Wie fühlst du dich?«
»Überwältigt. Komm rein.«
Maureen winkte ihm, er solle sich auf einen der mit rotem Leder gepolsterten Lehnstühle setzen, die den Kamin flankierten. Peter schüttelte den Kopf. Er war viel zu aufgedreht, als dass er sich jetzt hätte setzen können.
»Maureen, hör mir zu. Ich will, dass du sofort von hier verschwindest, bevor das alles noch viel verrückter wird.«
Maureen seufzte und setzte sich. »Aber ich fange gerade erst an, die Antworten zu bekommen, wegen denen ich gekommen bin – wegen denen wir gekommen sind.«
»Ehrlich gesagt kümmern mich Sinclairs Antworten nicht sonderlich, und ich denke, dir droht hier große Gefahr.«
»Von Sinclair?«
»Ja.«
Maureen warf ihm einen aufgebrachten Blick zu. »Oh, bitte! Warum sollte er mir etwas antun wollen, wo er mich doch als Mittel betrachtet, endlich das Ziel seines Lebens zu erreichen?«
»Weil dieses Ziel eine Illusion ist, verpackt in jahrhundertealten Aberglauben und Legenden. Das ist sehr gefährlich, Maureen. Wir reden hier über religiöse Kulte. Fanatiker. Was mir wirklich Sorgen bereitet, ist das, was er dir antun wird, wenn er erst einmal herausfindet, dass du nicht seine Erlöserin bist.«
Maureen schwieg einen Moment lang. Die nächste Frage stellte sie überraschend ruhig.
»Woher weißt du, dass ich das nicht bin?«
Peter traf die Frage wie ein Schlag. »Du … Du kaufst ihm das ab?«
»Kannst du all diese Zufälle erklären, Peter? Die Stimmen? Die Visionen? Ich zumindest kann das außerhalb von Sinclairs Erklärungen nicht.«
Peter sprach in festem Tonfall, als rede er mit einem Kind. »Wir fahren am Morgen ab. Dann bekommen wir noch den Flug von Toulouse nach Paris. Oder wir könnten sogar direkt von Carcassonne nach London fliegen …«
Maureen gab nicht nach. »Ich werde nicht gehen, Peter. Ich werde nirgendwo hingehen, solange ich nicht die Antworten habe, derentwegen ich gekommen bin.«
Peter konnte seine zunehmende Erregung nicht länger im Zaum halten. »Maureen, ich habe deiner Mutter vor ihrem Tod geschworen, dass ich mich immer um dich kümmern würde, dass ich nicht zulassen würde, dass mit dir das Gleiche passiert wie mit deinem Vater …« Peter hielt sofort inne, doch der Schaden war bereits angerichtet.
Maureen sah aus, als hätte er sie ins Gesicht geschlagen. Peter ruderte rasch zurück. »Es tut mir leid, Maureen, ich …«
Sie schnitt ihm das Wort ab. »Mein Vater. Danke, dass du mich an noch einen anderen Grund dafür erinnert hast, hierzubleiben. Ich muss herausfinden, was Sinclair über meinen Vater weiß. Ich habe den Großteil meines Lebens damit verbracht, mir Fragen über ihn zu stellen, da meine Mutter mir nur sagen wollte, dass er wahnsinnig gewesen sei, gefährlich wahnsinnig. Ich nehme an, das hat sie auch dir erzählt. Meine Erinnerungen an ihn mögen ja schwach sein, aber ich weiß einfach, dass das nicht stimmt. Wenn jemand anderes mir ein ausführlicheres Bild von ihm malen kann, dann werde ich alles tun, um dieses Bild zu sehen. Das schulde ich ihm – und mir.«
Peter schickte sich an, etwas darauf zu erwidern. Stattdessen wandte er sich jedoch mit gequältem Gesichtsausdruck ab, um den Raum zu verlassen. Maureen blickte ihm einen Augenblick lang nach und rief ihn zurück.
»Peter, bitte, hab Geduld mit mir. Ich muss das einfach herausfinden.Wie sonst sollen wir je wissen, ob diese Visionen irgendetwas bedeuten, wenn ich das hier nicht durchstehe? Was wäre, wenn selbst ein Bruchteil dessen, was Sinclair uns heute Abend dargeboten hat, die Wahrheit wäre? Ich muss die Antwort darauf wissen, Peter. Wenn ich jetzt gehe, werde ich es bedauern, solange ich lebe, und so will ich nicht leben. Mein ganzes Leben lang bin ich vor allem fortgelaufen. Ich bin aus Louisiana fortgelaufen – so weit und so schnell, dass ich mich an nichts mehr erinnern kann. Nachdem meine Mutter starb, bin ich aus Irland fortgelaufen und nach Amerika zurückgekehrt, habe mich in eine Stadt geflüchtet, wo jeder etwas anderes wird als das, was er ursprünglich einmal war. Los Angeles ist ein Ort, wo alle wie ich sind, jeder auf der Flucht vor dem, was er einmal war. Aber ich will nicht mehr so sein.«
Sie trat zu ihm und sah ihn an. »Jetzt habe ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, auf etwas zuzulaufen. Ja, es ist erschreckend, aber ich weiß, ich kann jetzt nicht aufhören. Und ich möchte dies lieber nicht ohne dich durchstehen, aber ich kann es – und ich
Weitere Kostenlose Bücher