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Das magische Land 1 - Der Orden der Rose

Das magische Land 1 - Der Orden der Rose

Titel: Das magische Land 1 - Der Orden der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Bryan
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Stimme.
    Sein Nicken wurde zu einer Verbeugung. Seine Hände erhoben sich. Er sammelte das Licht des Ortes und spann es vor ihr aus, bis sie auf die Kugel der Erde hinabschaute.
    Langsam schwoll sie an und begann zu wachsen, bis Averil auf einem hohen Berg über dem Land Lys zu stehen schien. Es war ein grünes Land, durchzogen von den silbernen Bändern seiner Flüsse. Im Westen wurde es durch eine Bergkette vom Königreich Moresca abgegrenzt; im Osten bildete ein breiter Fluss die Grenze zu Gotha, wo fruchtbares Ackerland in tiefe, verwunschene Wälder überging. Im Norden befand sich die kalte Gischt des Meeres; der blaue Ozean plätscherte gegen die Strände des warmen, singenden Südens, bis das Land anstieg zu einer weiteren Bergwand, die bis zu den Überresten von Romagna reichte.
    Averil verfolgte die Spuren von Magie über der lebendigen Erde, die geraden Linien der Wiesen und Auen, und die geschwungenen Linien der Lebens- und Geisteskraft, von denen sich jedes lebendige Wesen nährte - und darin verwoben jene Wildheit, die sich stets dicht unter der Oberfläche jedes lebendigen Ortes befand. Im Westen, zwischen dem kalten Meer und den Bergen, war sie am stärksten; sie sang für sie, versuchte sie fortzulocken vom schmalen Weg der Ordnung und Disziplin.
    Averil riss ihren Geist gewaltsam fort, bevor die Wildheit ihn verschlingen konnte. Hier gab es nichts, was sie nicht schon zuvor gesehen hätte. Lebendige Landkarten wie diese gab es auch in den Schulräumen der Akolythinnen. Diese hier war größer und aufwändiger, das war alles. Es war ein außerordentliches Kunstwerk.
    Dann wandelte es sich Vielleicht hatte Bernardin den Zauber geändert, oder vielleicht war dies ein Teil seiner besonderen Magie. Das Land wurde zu Glas. Große Schatten bewegten sich darunter, ein langsames Gewoge aus Schlingungen und schimmernden Schuppen. Es schauderte sie, aber sie hatte keine Kraft, der Vision zu entkommen, die sich erneut wandelte. Zunächst hielt Averil es für eine Invasion von Ameisen, dann erkannte sie, dass es Männer waren: Armeen.
    Sie verbreiteten sich wie ein Blutfleck, quollen aus dem Herzen von Lys heraus, wo sich eine Stadt über einem Fluss erhob: das goldene Lutece mit seinen sechzig Türmen und seiner königlichen Kapelle, die in Größe und Pracht mit der Kapelle der Priesterinnen auf der Insel wetteiferte. Jetzt befand sich ein Krebsgeschwür im Herzen der Stadt.
    Der Krebstumor trug eine Krone. Sie konnte sein Gesicht nicht ausmachen die Magie bescherte keine derartige Klarheit —, aber es war allzu leicht zu erkennen, was er beabsichtigte. Er übernahm einen Herrschaftsbereich nach dem anderen, Herzogtümer und Grafschaften, die dem König seit Beginn des Königreichs Treuepflicht, doch nicht Unterwerfung schuldeten. Seine Eroberungen erfolgten nicht allein durch Waffengewalt. Manchmal war es Gift, manchmal ein Dolch im Schatten der Nacht. Aber sobald der Gebieter fort war, übernahmen gleitende Schuppen seinen Platz, eine Kreatur, die die Worte des Königs sprach und den Wünschen des Königs nachkam. Als Averil nach und nach begriff, was aus dem Königreich zu werden drohte, verstand sie, warum ihr Vater sie zu sich gerufen hatte. Die gefallenen Herrschaftsgebiete waren über das gesamte Königreich Lys verteilt, und in einem fast perfekten Kreis umschlossen sie ein gewisses Herzogtum zwischen den Wildländern und dem warmen Süden.
    Langsam, aber sicher schloss sich die Schlinge des Königs um Quitaine. Averil war immer noch tief in der Vision versunken, aber als sie nach Bernardin schaute, stand er wie ein Bollwerk zwischen Averil und den Mächten, die das Königreich bedrohten. »Wie viel Zeit bleibt uns?«, fragte sie ihn.
    »Nicht viel«, erwiderte er. »Ich hoffe noch so viel, dass Ihr Euren Platz in Fontevrai einnehmen könnt.«
    »So bald schon«, sagte sie und schüttelte sich, bevor der Mut sie erneut verließ. »Sagt mir die Wahrheit. Ist mein Vater krank? Stirbt er?« »Was seht Ihr?«
    So war das also, dachte Averil: Ritter lehrten, indem sie Fragen mit Fragen beantworteten, genau wie es die Priesterinnen taten. Aus irgendeinem Grund brachte dieser Gedanke sie zum Lächeln, obwohl sie keine Heiterkeit empfand. Sie kniff die Augen zusammen. Die Vision blieb bestehen, sie wollte ihren großen Maßstab halten. Nur langsam nahm sie den Edelstein aus Weiß, Grün und Silber ins Visier, der Fontevrai war.
    Sie stürzte sich wie ein Habicht auf seine Beute, hinab auf den ausladenden

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