Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das magische Land 1 - Der Orden der Rose

Das magische Land 1 - Der Orden der Rose

Titel: Das magische Land 1 - Der Orden der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Bryan
Vom Netzwerk:
nicht menschlich gewesen, wenn ihr eine derartige Huldigung keine Freude bereitet hätte, selbst wenn sie wusste, dass sie nicht ihr galt. Averil konnte nur hoffen, dass Freude das Einzige war, was Emma durch diesen Rollentausch zuteilwurde, denn genauso leicht konnte er sie das Leben kosten.
    Die Prozession bewegte sich vom Tor aus bergauf zum Palast des Herzogs, wo man sämtliche Flaggen gehisst hatte. Bewaffnete Wächter nahmen sie in Empfang, eine Ehreneskorte in der Livree des Silbernen Schwans. Sie verbeugten sich tief vor der vermeintlichen Thronfolgerin und geleiteten sie mit sanften Gesten in den Palast.
    Jennet hatte es geschafft, in Emmas Nähe zu bleiben, aber Averil war in die hinteren Reihen zurückgedrängt worden und landete zwischen Knappen und Dienern. Die Höhergestellten zogen auf einen anderen Hof, fort von dem Getümmel aus Menschen und Tieren, in dem sie sich befand.
    Dieser Bereich der Schlossanlage war älter, dunkler und weniger vornehm und elegant als die neueren Teile des Schlosses, die sie durch einen Torbogen erspähen konnte. Die Tiere hier waren Maulesel und gedrungene, arbeitswillige Kaltblüter in schlichten, sauberen und trockenen Ställen. Sie konnte ein Maultier versorgen, sie hatte es oft genug auf der Insel getan. Da in ihrer Nähe offensichtlich niemand geneigt war, Befehle auszusprechen oder zu befolgen, half sie, wo immer es ihr nötig schien, schaufelte Heu, schleppte Wassereimer und rieb verschwitzte Rücken und müde Beine ab. Es war eine harte, aber friedliche Arbeit. Die sechs Stallburschen verdrückten sich nach und nach, bis nur noch einer übrig blieb, um die Fütterung zu beenden: ein großer junger Mann mit zerzaustem blonden Haar und großen, schwieligen Händen. Sie erinnerte sich vage daran, ihn auf der Straße gesehen zu haben, wie er geschickt, jedoch ohne Anmut, auf einem Maultier geritten war.
    Er schien sich nicht an sie zu erinnern. Im Unterschied zu den Rittern konnte er sie ansehen, ohne völlig überwältigt zu sein. Wenn ihre Schönheit ihn bezauberte, ließ er sich davon nichts anmerken. Schweigend arbeiteten sie Seite an Seite, brauchten keine Worte für die Aufgaben, die ihnen vertraut waren.
    Auf der Insel hatte Averil eine solche Kameradschaft erlebt. Es war ein vertrautes, willkommenes Gefühl. Später jedoch, nachdem die Arbeit getan war und sie sich auf die Suche nach ihren Dienerinnen und einem Schlafplatz gemacht hatte, kam ihr in den Sinn, dass sie ihn nicht einmal nach seinem Namen gefragt hatte.
    Nun, schließlich hatte er auch nicht nach ihrem gefragt. Er hatte ihr lächelnd zugenickt und war seines Wegs gegangen. Völlig unvermittelt überkam sie plötzlich ein Gefühl von Einsamkeit.
    Jennet und Emma würden sicher auf sie warten. Ebenso ihr Vater. Bislang hatte sie dieses Treffen gemieden.
    Sie konnte es noch länger hinausschieben. Sie sollte sich den Stallgestank abwaschen. Im alten Teil des Palastes, der noch aus der Zeit Romagnas stammte, gab es Bäder für die Diener. Sie konnte auch bei den Dienerinnen schlafen. Morgen Früh konnte sie es mit erfrischtem Körper und Geist angehen.
    Jennet fand sie im Bad. Sie war tropfnass und sauber und gerade dabei, ihr Haar auszudrücken, als sie zu dem runden vorwurfsvollen Gesicht aufblickte. »Comtesse«, sagte Jennet, »wir dachten schon, wir hätten Euch verloren.« »Nenn mich nicht so«, sagte Averil, obwohl sie allein waren. »Ich bin hier deinesgleichen. Das darfst du nicht vergessen.«
    »Ihr werdet niemals meinesgleichen sein«, sagte Jennet, vermied es jedoch, Averils Titel auszusprechen. »Euer V-, ich meine der Herzog schickt nach Euch. Ich soll Euch zu ihm bringen.«
    Averil holte tief Luft und nickte. »Hilf mir«, sagte sie. Jennet hatte schon begonnen, Averils Haar zu kämmen und zu flechten. Gerade als Averil sich anschicken wollte, wieder in ihre fleckigen, stinkenden Kleider zu schlüpfen, schüttelte die Dienerin ein sauberes Leinenhemd und ein braunes Wollgewand aus: ein wenig einfacher als die anderen Sachen, aber viel feiner gewoben. Schnitt und Farbe nach war es ein Dienerinnengewand. Der Stoff war jedoch von exquisiter Qualität.
    Darüber würde Averil noch mit ihr sprechen müssen, aber fürs Erste würde es gehen. Sie ließ sich von Jennet beim Anziehen helfen, weil diese darauf bestand. Dann gab es keinen weiteren Aufschub mehr. Sie musste dem Mann gegenübertreten, der sich geweigert hatte, sie nach ihrer Geburt anzuschauen, und der sie seitdem kein einziges Mal

Weitere Kostenlose Bücher