Das magische Land 2 - Das Amulett der Schlange
konnte nicht den Schatten festhalten und gleichzeitig den Drachen verfuhren. Als sein Griff sich lockerte, war Averil zur Stelle mit Peredur an ihrer Seite. Der Eisdrache streckte sich seufzend. Das Schiff schlingerte heftig und drohte zu sinken.
Das große Untier beruhigte sich. Es war wach und bei Bewusstsein, befand sich jedoch im Ruhezustand und wartete.
Sein eigenes Versprechen war klar. Er würde Gereint geben, um was er gebeten hatte, und wenn er sein Versprechen nicht hielt, würde er fressen — in der Tat. Gereint und seinesgleichen würden seinen Hunger stillen. Es war ein fairer Handel. Gereint wagte, sich ein wenig aufzurichten, die Augen zu öffnen und seine Aufmerksamkeit auszudehnen auf die Welt, in der sein Körper lebte.
Die Wellen waren verebbt. Der Zauber der Ruhe breitete sich wieder übers Meer, bis die Wogen zu einer sanften Dünung wurden.
Gereint arbeitete sich aus der Kajüte heraus und stieg in frostiges Sternenlicht hinauf. Der Wind war genauso sanft wie die See. Verstreute Lichter trieben darauf; während er sie betrachtete, fingen sie an, sich aufeinander zuzubewegen.
Sie waren ramponiert, einige hatten Schlagseite, und alle waren mit Eis und Salz bedeckt, aber alle Besatzungsmitglieder waren an Deck, und die Soldaten waren auf ihre Posten zurückgekehrt. Schilde waren erhoben, sowohl sterbliche als auch magische. Jeder, der eine Waffe besaß, hatte sie gezogen oder gespannt und war kampfbereit.
Gereint war kein Seemann und würde auch niemals einer sein, aber in jüngeren Jahren hatte er so manchen Baum erklommen. Der Mast war nicht viel anders. Es gab Hand- und Fußstützen; er war nicht klein und leicht genug, um bis zum Ausguck im Krähennest zu klettern, doch bis zur Hälfte schaffte er es und konnte sich einen Überblick verschaffen.
Die schwarze Flotte wurde zwar von einem Schatten verhüllt, dennoch konnte er sie erahnen.
Es war jedoch nicht die Flotte, die er bei Tageslicht gesehen hatte. Auch der König kannte den Nutzen eines Tarnzaubers. Was ausgesehen hatte wie eine Flotte aus rundbauchigen, ein-und zweimastigen Schiffen, wie sie für gewöhnlich die Weltmeere durchquerten, erwies sich bei Sternenlicht als etwas weitaus Todbringenderes.
Sie schoss über die neuerlich friedliche See. Jedes Schiff wurde angetrieben von kräftigen Ruderschlägen. Jeder Bug bestand aus geschliffenem Stahl. Jeder Schiffsrumpf war durch Feuer und Hexerei gestärkt. Armeen von Seelenlosen schwärmten über die Decks.
Da waren ein halbes Tausend dieser monströsen Galeeren, die gleich einer Schattenwoge auf ihre ahnungslosen Feinde zurollten. Die Männer der Königin warteten auf einen Angriff, aber für das hier waren sie blind. Gereint presste die Augen zusammen. Seine Magie hatte fast ihre Grenzen erreicht, und es sollte noch schlimmer kommen.
Wenn die Schiffe der Königin überrannt würden und jeder auf ihnen gefangen genommen und seiner Seele beraubt würde, gäbe es nichts mehr für ihn zu tun. Er atmete so tief, wie seine Lungen es zuließen, dann ließ er die Luft in einem Windstoß entweichen.
Der Tarnzauber wurde in Fetzen gerissen. Über sich hörte Gereint ein Keuchen und einen kindlichen Aufschrei und dann ein lang gezogenes Wimmern.
Füße donnerten unter ihm über die Decks. Licht flammte über der See. Die Magier der Königin waren aufgeschreckt worden und beendeten, was Gereint begonnen hatte.
Er klammerte sich noch ein wenig länger an den Mast und raffte alle Kraft zusammen, die er noch übrig hatte. Als die brennenden Pfeile losflogen, begann er nach unten zu klettern — aber nach wenigen Ellen hielt er inne. Jedes der schwarzen Schiffe sah genauso aus wie alle anderen. Jedes hatte dieselbe Form, denselben Bug, dieselbe dreifache Reihe von Rudern. Es gab ein halbes Tausend von ihnen. Und nur ein Einziges hatte den König, seinen Berater und das Kästchen mit den Seelen an Bord. Für das, was Gereint im Sinn hatte, waren es zu viele. Wie in Gottes Namen sollte er wissen, welches das Schiff des Königs war?
Panik stieg in ihm hoch. Er überwand sie. Als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, zwang er sich, seinen Blick über das Ausmaß der Flotte schweifen zu lassen.
Da.
Sie näherten sich in vier langen Reihen, eines hinter dem anderen. Dahinter fuhren drei schwarze Schiffe dicht zusammen. Sie schienen auf den ersten Blick wie die Übrigen: kurz, breit, zweimastig und mit schwarzen Segeln. Clodovec war dort. Die Entfernung war noch zu groß, um eine
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