Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Magische Messer

Das Magische Messer

Titel: Das Magische Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
Vom Netzwerk:
leisen Geräusche, die von unten kamen: das Scharren eines Stuhles, der hochgehoben und wieder hinge  stellt wurde, ein kurzes Flüstern, das Knarren einer Diele.
    Mit noch leiseren Bewegungen als die Männer verließ er sein Schlafzimmer und schlich auf Zehenspitzen zum Gästezimmer am Treppenaufgang. Es war keine ganz dunkle Nacht, und im gespenstischen Grau der frühen Stunde konnte er die alte, mit einem Pedal angetriebene Nähmaschine erkennen. Zwar hatte er das Zimmer erst vor wenigen Stunden gründlich durchsucht, aber er hatte das Fach an der Seite der Nähmaschine vergessen, in dem seine Mutter die Schnittmuster und Garne aufbewahrte.
    Vorsichtig tastete er danach, die ganze Zeit angestrengt lauschend. Unten bewegten sich die Männer, und einmal sah Will im Türspalt schwach etwas aufleuchten, vielleicht eine Taschenlampe.
    Dann hatte er den Haken gefunden, der das Fach verschloss. Er schob ihn zurück, und da lag, genau wie er es gewusst hatte, die lederne Schreibmappe.
    Und jetzt?
    Mit klopfendem Herzen kauerte er sich hin und lauschte.
    Die beiden Männer waren im Flur. Er hörte einen von ihnen leise sagen: »Beeil dich. Ich höre auf der Straße schon den Milchmann.«
    »Aber hier ist sie nicht«, sagte die andere Stimme. »Wir müssen oben suchen.«
    »Dann los. Steh nicht rum.«
    Will musste sich zusammenreißen, als er die oberste Treppenstufe leise knarren hörte. Der Mann verursachte keinerlei Geräusche, aber das Knarren der Stufe, hatte er nicht verhindern können, weil er es nicht gewusst hatte. Es folgte eine Pause. Dann sah Will durch den Spalt, wie draußen der dünne Strahl einer Taschenlampe über den Boden wanderte.
    Die Tür bewegte sich. Will wartete, bis er den Mann in der offenen Tür vor sich hatte, dann stürzte er aus dem Dunkel und warf sich mit voller Wucht gegen den Bauch des Eindringlings.
    Aber keiner von ihnen hatte die Katze gesehen.
    Moxie war, als der Mann die oberste Stufe erreicht hatte, lautlos aus dem Schlafzimmer gekommen und stand jetzt mit erhobenem Schwanz hinter ihm, um sich im nächsten Augen  blick an seinen Beinen zu reiben. Mit Will wäre der Mann fertig geworden, denn er war durchtrainiert und stark, aber die Katze war im Weg, und als er zurücktreten wollte, stolperte er über sie. Er gab einen erschrockenen Laut von sich, dann fiel er rückwärts die Treppe hinunter und schlug mit dem Kopf hart gegen den Tisch im Flur.
    Will hörte ein hässliches Krachen, dachte aber nicht weiter darüber nach. Er sauste auf dem Geländer hinunter, sprang über den Körper des Mannes, der zuckend und merkwürdig verdreht am Fuß der Treppe lag, riss die zerschlissene Ein  kaufstasche vom Tisch, und war durch die Vordertür verschwunden, noch bevor der andere Mann etwas anderes hatte tun können, als aus dem Wohnzimmer zu kommen und ihm nachzustarren.
    Trotz seiner Angst und Eile wunderte Will sich, warum der andere Mann nicht hinter ihm herrief oder ihn verfolgte. Aber sie würden mit ihren Autos und Mobiltelefonen so  wieso bald hinter ihm her sein. Er musste weg.
    Er sah den Milchmann in die Straße zu ihrem Haus einbiegen; die Lichter seines elektrischen Wägelchens schimmerten schwach in der bereits am Himmel aufziehenden Morgendämmerung. Will sprang über den Zaun in den Nachbargarten, rannte den Weg am Haus entlang, sprang über eine Gartenmauer, rannte über einen taunassen Rasen, durch eine Hecke und in das Gebüsch zwischen der Siedlung und der Hauptstraße. Er kroch unter einen Busch und blieb dort keuchend und zitternd liegen. Es war noch zu früh, um auf der Straße zu sein; er musste warten, bis der morgendliche Berufsverkehr einsetzte.
    Er konnte das hässliche Geräusch nicht vergessen, mit dem der Kopf des Mannes gegen den Tisch geschlagen war, und den Hals des Mannes, der so schief und verdreht war, und das schreckliche Zucken seiner Glieder. Der Mann war tot. Er hatte ihn umgebracht.
    Er konnte es nicht vergessen, aber er musste. Es gab genug andere Dinge zu bedenken. Seine Mutter. War sie dort, wo sie war, wirklich sicher? Würde Mrs. Cooper stillhalten? Auch wenn Will nicht wiederkam, wie er gesagt hatte? Denn zu  rück konnte er nicht mehr, jetzt, wo er jemanden getötet hatte.
    Und Moxie. Wer würde Moxie zu fressen geben? Würde Moxie sie beide vermissen? Würde sie versuchen ihnen zu folgen?
    Es wurde jetzt von Minute zu Minute heller. Will hatte schon genug Licht, um den Inhalt der Einkaufstasche durch  zusehen: die Geldbörse seiner Mutter,

Weitere Kostenlose Bücher