Das magische Portal - Weltennebel
drängte ihn ein anderer Teil, der weniger rationale, mehr zu erfahren. Er beobachtete Mia, die im strahlenden Licht des beginnenden Morgens auf diesem Felsen saß, und in diesem Augenblick kam es ihm entgegen aller Vernunft plötzlich gar nicht mehr so abwegig vor, dass sie ein Wesen aus einer fremden Welt war. Die Sonne ließ das ganze Land funkeln und leuchten, und all die intensiven Farben vermittelten Darian den Eindruck, als wäre er tatsächlich der Wirklichkeit entrissen worden.
»Vor etwa fünfundzwanzig Sommern«, begann sie zu erzählen, »geschah etwas Furchtbares. Dein Vater hatte beinahe vierhundert Sommer und Winter lang gut und gerecht von Northcliff aus über Albany geherrscht.«
»Vierhundert Sommer?«, keuchte Darian.
»Man könnte auch Jahre sagen«, meinte Mia und runzelte die Stirn. Doch dann wurde ihr wohl klar, dass es nicht ihre Formulierung gewesen war, woran er sich störte. »Ich erwähnte doch, dass du einer Linie von Unsterblichen entstammst.«
»Oh.« Darian nickte und bat sie fortzufahren.
»Eigentlich war deine Familie sehr beliebt, doch der eine oder andere neidete euch eure nicht enden wollende Herrschaft und eure Unsterblichkeit. Ein Geheimbund bildete sich. Leider kam niemals heraus, wer wirklich alles zu ihnen gehörte. Zunächst töteten sie deinen ältesten Bruder, der eigentlich König hatte werden sollen.«
»Ich hatte einen Bruder«, flüsterte Darian.
»Sein Name war Atorian.« Sie lächelte traurig. »Er sah dir ähnlich und war sehr beliebt. Soll ich weitererzählen?«, fragte sie, als sie sein fassungsloses Gesicht sah.
Statt einer Antwort konnte er nur nicken.
»Moment«, unterbrach er sie dann jedoch, als sie fortfahren wollte. »Du sagtest, meine Familie sei unsterblich. Wie kann mein Bruder tot sein?«
»Ihr seid nicht davor gefeit, durch ein Schwert, einen Pfeil oder sonst eine Waffe zu sterben«, erklärte sie. »Ihr könnt viele hundert Sommer alt werden, wenn ihr nicht ermordet werdet oder an einer schweren Krankheit sterbt. Die Bezeichnung ›unsterblich‹ kam wohl eher von den Menschen, denen nur eine stark begrenzte Lebensspanne zur Verfügung steht. Bei Elfen, Zwergen oder Gnomen ist es nicht ungewöhnlich, sehr alt zu werden.«
Obwohl Darian all dies nicht wirklich begriff, nickte er und forderte Mia auf, weiter von seinem Bruder zu erzählen.
»Alle waren sehr traurig, denn Atorian hätte bald der neue König werden sollen. Viele vermuteten, dass er unter anderem auch deswegen sterben musste, weil er nach den verschollenen Chroniken Albanys suchte. Es gibt einen Mythos, der besagt, dass vor vielen tausend Sommern eine geheime Splittergruppe der Zauberer, die Diomár, damit begann, die Geschehnisse unserer Welt aufzuzeichnen. Sie lebten, oder leben angeblich auch noch heute, auf den Geisterinseln und zeichnen die Blutlinien aller Adelsfamilien Albanys auf. Außerdem gelten sie als Hüter der Geheimnisse unseres Landes.«
Erfüllt von atemlosem Staunen lauschte Darian Mias Ausführungen.
»Einige Mitglieder der Diomár bewegen sich der Legende nach unerkannt unter den Menschen. Sie beobachten nur, mischen sich jedoch nicht ein. Und angeblich sind sie im Besitz einer Karte aller magischen Portale, die in andere Welten führen.«
»Wer sollte etwas dagegen haben, dass Atorian die Karte oder diese Chroniken sucht?«, hakte Darian nach. »Waren es die Diomár?«
»Nein, Fehenius.« Abscheu lag in Mias Stimme. »Er behauptet, aus einer Linie zu stammen, die auf deinen Urururgroßvater Federan zurückgeht. Der hatte zwei Söhne, Dugal und Edevan. Der Tradition nach sollte Dugal, der Ältere, König werden, doch auch Edevan wollte den Thron. In einem Streit soll Dugal Edevan aus Versehen getötet haben. Fehenius behauptet nun, Edevan habe doch überlebt, und meint, als sein Nachfolger ebenfalls einen Anspruch auf den Thron zu haben, selbst wenn er nicht auf der Dracheninsel geweiht wurde. Ob Fehenius überhaupt Edevans Linie entsprungen sein kann, steht in den Chroniken, sofern sie überhaupt existieren.« Mia runzelte nachdenklich die Stirn. »Atorian wollte die Chroniken finden, um den ewigen Streit mit Fehenius auszuräumen. Fehenius strebt schon seit langer Zeit danach, in die Burg von Northcliff zu ziehen und mehr Einfluss zu haben.«
»Hmm.« Die ganze Geschichte wurde immer verwirrender für Darian. »Und diese Karte mit den Übergängen zu anderen Welten – was ist daran so besonders?« Noch während er diese Frage stellte, wunderte sich
Weitere Kostenlose Bücher