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Das magische Schwert

Titel: Das magische Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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Himmelsglobus befragt, schmeißt du dich einfach rein. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, ob du das verstehst, was ich dann sage, weil ich mich daran erinnere, wenn mit dem Wahrsagen Schluss ist. So funktioniert das doch, oder? Die Kinder, die wahrsagen, erinnern sich immer an das, was sie im Spiegel gesehen haben.«
    »Das ist ja das Problem. Manchmal erinnern sie sich an nichts anderes mehr.«
    »Du möchtest doch wissen, was mit Petra passiert ist? Also fängst du besser damit an zu lernen, was du fragen musst.«
    Tomik war so darauf konzentriert, eine schnelle Lektion in Romanes zu lernen, und Neel so eifrig dabei, sie zu erteilen, dass keiner von ihnen bemerkte, dass die Ziegen verschwunden waren. Genauso wenig bemerkten sie, dass der Hirte in seinem schäbigen Umhang immer noch hinter ihnen herging.

    Treb pochte an die Tür.
    »Wer ist da?«, rief eine Stimme auf Arabisch.
    »Was glaubst du wohl?«, erwiderte Treb auf Romanes. »Treb von den Maraki, Kapitän der Pacolet, zusammen mit seinen Seeleuten.«
    Die Tür ging auf und da stand ein kleiner rundlicher Mann mit großen runden Augen und einer ledrigen Haut. Sein schwarzes Haar stand in Büscheln vom Kopf ab.

    »Hallo,Vulvo«, sagte Treb.
    »Willkommen«, antwortete der Mann in ihrer Sprache und winkte den Kapitän herein. Er beobachtete, wie die Maraki nacheinander hinter Treb hereinmarschierten. Er nickte Neel zu, erkannte ihn als den Jungen, der wahrsagen sollte, als den, der zum Thema so vieler Romageschichten geworden war.
    Vulvos dicke Augenbrauen hoben sich, als er Tomik erblickte. »Ein Gadsche? Welche Überraschung.«
    »Damit hast du nur allzu recht«, sagte Treb.
    »Bist du dir sicher, dass du wünschst, dass der Junge - Indraneel, richtig? - vor einem Außenstehenden wahrsagt?«
    »Kein Grund zur Sorge«, sagte Treb. »Dieser blonde Kerl ist kein Meister in Romanes. Alles, was er in unserer Sprache sagen kann, ist ›Wagen‹, ›ich trinke Teer‹ und ›Fischdärme sind lecker‹. Alles, was wir sagen, wird ein kleines bisschen über seinen Kopf hinweggehen. Er bleibt.«
    »Wenn du es für angebracht hältst«, erwiderte Vulvo skeptisch.
    Auf die Einladung ihres Gastgebers hin ließen sich die Roma auf dem Boden nieder. Neel zog Tomik am Ellbogen und bedeutete ihm, dem Beispiel der anderen zu folgen.
    Treb musterte den gestampften Lehmboden, der mit hellen Teppichen bedeckt war, die runden Fenster wie in einem Romawagen und die weiß gekalkten Wände. »Das ist ein gutes Haus«, sagte er, als Vulvo Kaffee servierte, »aber vermisst du nicht das Umherziehen,Vulvo? Fühlst du dich nicht … eingesperrt? Du bist ein Roma.«
    »Sie nennen mich die Eule von Sallay.« Vulvo blinzelte mit seinen großen Augen. »Und jede Eule braucht ihr Nest.«
    Als alle Gäste ihre kleinen Tassen wieder auf das Keramiktablett gestellt hatten, das Vulvo herumreichte, wandte
sich der kleine rundliche Mann an Neel. »Bist du bereit, Indraneel?«
    »Neel«, sagte der Junge.
    »Es ist besser, die richtigen Namen zu benutzen bei allen Gelegenheiten, bei denen der Geist geöffnet ist und die ganze Persönlichkeit auf dem Spiel steht.Weißt du das nicht?«
    »Eigentlich schon«, murmelte Neel.
    »Ihr alle könnt die Gefahren des Wahrsagens abschätzen«, wandte sich Vulvo an seine Gäste, »und ich nehme an, ihr sorgt euch um Indraneel. Denkt daran, dass das Risiko für seinen Geist umso größer wird, je länger ich den geistigen Kontakt mit ihm aufrechterhalte. Stellt eure Fragen kurz und einfach. Wahrsagen ist bestenfalls unberechenbar. Indraneel sagt vielleicht, dass ein Vogel Strauß den Globus gestohlen hat und auf ihm sitzt wie auf einem Ei. Wenn ihr ihn nicht versteht, ganz gleich welche Antwort er gibt, kümmert euch nicht darum. Bewahrt Ruhe. Und jetzt informiert den Außenseiter.« Vulvo zeigte auf Tomik.
    Neel übersetzte. Als er fertig war, blickte er Tomik bedeutungsvoll an.
    Der Böhme nickte.
    Vulvo zog Neel mitten auf den Teppich. Die Maraki und Tomik saßen mit untergeschlagenen Beinen im Kreis um sie herum.
    Die Eule von Sallay legte einen Spiegel auf den Boden, entkorkte einen kleinen Krug und goss Olivenöl auf das flache silbrige Oval. Er und Neel knieten sich jeder auf eine Seite des Spiegels.Vulvo verrieb das Öl, bis der ganze Spiegel verschmiert schimmerte, und dann griff er nach Neels Gesicht.
    Neel zuckte zurück und schaute zu Treb, seine Augen flackerten nervös.

    »Dir wird nichts passieren, Cousin«, sagte Treb. »Vulvo ist ein

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