Das magische Schwert
bittest und er dir dabei ins Gesicht sieht. Und, Petra, ich beantworte gerne jede deiner Fragen. Aber sei gewarnt. Irgendwann musst du vielleicht auch meine beantworten.«
Petra stürmte zu Dees Bibliothek, froh darüber, dass sie ein gutes Gedächtnis hatte und vor allem einen guten Orientierungssinn. Zum Glück begegnete sie keinem der Diener, ehe sie die Wendeltreppe hinunterschlüpfte, die zum nächsttieferen
Stockwerk führte. Sie hatte noch die Hand an dem Tau, das als Geländer diente, und war gerade auf die letzte Steinstufe getreten, als sie aus dem Flur Stimmen hörte.
»John, du wirst sofort gebraucht.«
»Guten Tag, Franzis. Komm in die Bibliothek und wir können die Angelegenheit besprechen.«
»Dafür ist keine Zeit. Die Königin braucht dich jetzt! Es geht um den Westen …«
»Gabriel Thorn?«
»Er ist tot, John. Du …«
»Petra!«, rief Dee plötzlich. »Ich weiß, dass du da bist. Hör auf, im Dunkeln herumzuschleichen. Komm raus.«
Sie trat vor.
Dee stand direkt vor der Tür seiner Bibliothek neben einem dünnen Mann mit kurzem, spitzem Bart. Petra nahm an, dass er Franzis Walsingham war.
»Wer ist das?« Der Mann war empört über die Lauscherin.
»Eine entfernte Verwandte und eine neugierige zudem«, sagte Dee. »Also Petra, ich gehe davon aus, dass du vom heutigen Tag an niemanden mehr beschuldigen kannst, ein Spion zu sein, ohne dich ein bisschen scheinheilig zu fühlen. Der Winterumhang einer meiner Töchter hängt in der Bibliothek. Du wirst ihn dir ausleihen. Du kommst mit uns.«
»Wir gehen aus? Wirklich? Wohin?«
»Zur Residenz der Königin in London,Whitehall Palace.«
Die Schwäne der Königin
D AS ERSTEHE ich nun wirklich nicht«, sagte Walsingham mit zusammengebissenen Zähnen. »Warum soll sie mit uns kommen?«
»Ohne Zweifel gibt es viele Dinge, die du nicht verstehst«, erwiderte Dee.
»Und warum müssen wir deine Kutsche nehmen? Zu Fuß kämen wir schneller an den Fluss.«
»Die hier« - Dee neigte den Kopf in Petras Richtung - »würde vielleicht versuchen, sich selbstständig zu machen. Die Läden anschauen. Natürlich würde ich sie finden, doch das würde unsere Zeit verschwenden.«
Walsingham hob die Hände und stieg in die wartende Kutsche. Dee bedeutete Petra zu folgen.
Nachdem alle drei saßen, zog Walsingham die Tür zu. Als die Pferde lostrotteten, wurde die Kutsche aus Leder und Holz dermaßen durchgeschüttelt, dass Petra mit den Zähnen klapperte. Sie konnte Walsinghams Haaröl riechen und rümpfte die Nase.
Er sah das. »Der Gedanke, ein junges Mädchen zu einer so politisch heiklen Angelegenheit mitzunehmen …«
»So dumm bist du doch nicht, die Jugend zu unterschätzen. Was ist mit Christopher?«
»Kit erfüllt seinen Zweck.«
»Allerdings.«
Es war kalt in der Kutsche, und Petra war für den Umhang dankbar, auch wenn das bedeutet hatte, dass keine Zeit geblieben war, wegen Astrophil in ihr Zimmer zu rennen. Sie rieb an dem beschlagenen kalten Glas des Kutschfensters, bis es quietschte. Nun konnte sie durch das runde klare Loch sehen, wie die vornehmen Anwesen hinter den Reihen von Läden zurückblieben. Menschen schoben den Schnee von den Marktständen mit ihrem aufgehäuften Wintergemüse. »Wo sind wir?«
»Sie weiß nicht einmal, wo wir sind, John«, stotterte Walsingham. »Ich hoffe, sie gehört nicht zu deinen hohlköpfigen Wohltätigkeitsfällen, denn dem Rat wird es nicht gefallen …«
»Vorsicht.« Dee hatte die Stimme nicht erhoben. Er rührte sich keinen Zentimeter, doch Petra war trotzdem an den Augenblick erinnert, als sie erfahren hatte, dass Dee fähig war, vier grausame Monster zu enthaupten.
Walsingham machte den Mund zu.
Dee wandte sich an Petra. »Wir wohnen in der Throgmorton Street. Das hier ist Cheapside, wo der meiste Handel stattfindet. Wenn du jemals auf der Jagd nach Neuigkeiten über jemanden oder etwas bist, gibt es keinen besseren Ort, danach zu suchen als den, wo die Menschen Waren kaufen und verkaufen - außer dem Ort, wo die Leute trinken. Kneipen sind ausgezeichnete Örtlichkeiten für Gerede. Das sind auch die Freibezirke, doch dort spricht niemand mit einem Fremden.«
»Was sind die Freibezirke?«
»Heimstätte für ein Pack von gesetzlosem Gesindel«, sagte Walsingham. »Und von Ausländern.«
Dee erklärte. »Aus einem Grund, den viele Leute für ein
Geheimnis halten, der aber sicherlich viel mit den Taschen des Bürgermeisters zu tun hat und dem Geld, das hineingesteckt wird, sind die
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