Das magische Schwert
seinen Töchtern zu, die im Gras picknickten. Einen Augenblick stand Petra mit zu Fäusten geballten Händen stocksteif da. Dann ging sie mit großen Schritten hinter ihm her, denn ihr blieb keine andere Wahl, als ihm zu folgen.
Petra war unbarmherzig froh, dass sie das, was sie über die Münze erfahren hatte, vor Dee zurückgehalten hatte, der nicht nur ihr Rivale im Rennen war, den Mord an Thorn aufzuklären. Dee schien außerdem fest entschlossen, Petra jede Chance auf Glück zu vereiteln, auch wenn sie noch so mager oder gering war.
Die goldene Münze ist von den Roma , erzählte sie Astrophil. Sie ist vor rund achthundert Jahren während der Regierung Danior von den Kalderasch geprägt worden.
Petra griff in die Tasche und berührte die Münze, die sich an den Glühstein geschmiegt hatte, und wünschte sich, dass ihre Freunde jetzt hier bei ihr wären.
Ankunft in Deptford
A LS SICH die Pacolet in den Hafen von Deptford schleppte, überließen ihr die anderen Schiffe einen weiträumigen Liegeplatz. Die Flagge, die sie zeigte, gehörte zu den Seezigeunern, und niemand wollte mit denen aneinandergeraten.
Die Pacolet legte an, und die Seeleute der Schiffe in der Nähe sahen neugierig zu, als die Roma ein kleines Boot herabließen. Als es auf dem Wasser aufkam, konnten alle sehen, dass da vier Männer an den Rudern saßen. Und - wie seltsam - einer davon war blond. Sein Haar war dicht, lang und verfilzt, ein Irrtum bei der Farbe war ausgeschlossen, wie es da im Wind des späten Aprils flatterte.
Ein Raunen machte die Runde. Jedermann wusste doch, dass Zigeuner keine Außenseiter mochten. Allerdings - die englischen Seeleute warfen einen Blick auf die dunkelhäutige Mannschaft, die sich auf dem Deck drängte - mochten sie auch keine Leute, die sich neugierig in ihre Angelegenheiten einmischten.
Das Flüstern erstarb und Treb, Andras, Neel und Tomik ruderten die Themse aufwärts auf London zu.
Treb klopfte die Asche seiner Pfeife ins Wasser. »Die Pacolet hat ganz schön Prügel bezogen.«
»Dieser letzte Sturm …«, brummte Andras, während er an den Rudern zog.
Tomik hatte nichts mehr erlebt, das diesem Orkan ebenbürtig war. Doch während der letzten paar Monate war er noch durch viele Stürme gefahren, bei denen die grüne See über das Deck geschlagen und das Schiff von glitzernden Wasserbergen umgeben war.
»Die restliche Mannschaft kann die Pacolet in Deptford zusammenflicken und den Erdglobus bewachen, während wir nach seinem Zwilling suchen«, fuhr Andras fort. »Wir sind nicht weit von der London Bridge.«
Bald glitten sie mit Dutzenden von anderen Booten unter der Brücke durch. Dann steuerten sie einen nach Fisch stinkenden Anlegeplatz an.
Tomik schwang seine Beine über den Bootsrand. Austernschalen knirschten unter seinen Füßen, als er sich schnell aufrichtete - und schwankte.
»Ruhig,Tom«, sagte Neel, doch auch er wackelte.
»Das geht vorbei«, bemerkte Andras zu Tomik. »Deine Beine sind nicht mehr dran gewöhnt, an Land zu sein.«
»Wohin gehen wir jetzt?«, fragte Tomik.
»Na« - Treb grinste -, »zu den Freibezirken natürlich.«
Als Neel und Tomik nebeneinander hergingen, waren sie wie Tag und Nacht, Sonne und Mond. Wenn man sie so zum gesetzlosen Teil Londons schlendern sah, musste man nicht unbedingt meinen, sie wären Freunde, aber man konnte spüren, dass die Hand gegen den einen zu erheben, bedeuten würde, mit beiden zu tun zu bekommen.
»Nehmt zwei Zimmer im Haus zum Speichenrad«, sagte
Treb zu ihnen. »Andras und ich schlendern mal rum und schauen, was passiert, wenn wir das englische Wort ›Cotton‹ sagen.«
»Irgendjemand wird schon versuchen, euch ein Kleid zu verkaufen.« Neel grinste dreckig. »Ihr würdet grauenvoll schön in einem aussehen.«
»Sieh zu, dass du ein Bad nimmst, bevor wir zurückkommen, kleiner Cousin, denn du und deine Witze stinken.« Damit drehten Treb und Andras ab und gingen auf eine Ansammlung ziemlich zweifelhaft aussehender Leute zu, die an einer Straßenecke herumhingen.
Die Freibezirke waren heruntergekommen und rau.Tomik hatte noch nie in einer so kurzen Zeitspanne so viele Prügeleien gesehen. Bevor er und Neel das Gasthaus erreicht hatten, hatte er zwei gebrochene Nasen gezählt. Außerdem war da ein Vorfall gewesen, bei dem ein spindeldürres Mädchen ein Messer gegen einen erwachsenen Mann zog und mit dem Griff auf seinen Kopf einschlug. Es hätte lustig sein können, wenn da nicht so viel Blut geflossen wäre.
Als sie
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