Das Mal der Schlange
kann also nichts passieren. Ich gehe später zu Lilys Arbeitsplatz und warte dort auf sie und wir treffen uns wieder, wenn die beiden zu Hause sind, ja?“
Der Bus hatte bereits angehalten, so dass Emmaline keine Zeit hatte, um auf Adams Antwort zu warten. Sie drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und schlüpfte mit einem „Dankeschön, das ist wirklich nett von dir!“, aus der Sitzbank.
Seit ihrer Ankunft in London vor einigen Tagen waren Adam und Emmaline ständig damit beschäftigt, jeden Schritt von Stella oder Lily zu überwachen. Bisher mit Erfolg. Aber sie machten sich keine Illusionen darüber, dass es unmöglich sein würde, die beiden zu beschützen, falls Tristan es wirklich darauf anlegte sie zu entführen, oder - noch schlimmer - zu töten.
Im Augenblick brauchte er die Mädchen als Druckmittel, damit Emmaline ihn, wie verlangt, beim nächsten Vollmond in der Bar des Dorchester Hotels treffen würde.
Adam und Emmaline konnten sich nicht erklären, was Tristan damit bezweckte, aber heute Nacht würden sie es erfahren.
Emmaline war mit einem Taxi von der Kings Road nach Mayfair gefahren und stand nun vor Nathaniels Haus.
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. ´Einhundertunddrei Jahre ist es her, seit ich zuletzt hier war`, dachte sie, als sie die breiten weißen Steinstufen hinaufstieg. Die Messingbeschläge der schwarz lackierten Eingangstüre waren frisch poliert. Es stand kein Name auf dem Klingelschild. Sie drückte den runden Knopf, hörte im Haus einen dezenten Glockenton und wenig später Schritte, die sich näherten.
Bei Nathaniels Anblick setzte Emmalines Herz einen Schlag aus. Wie immer wenn sie ihn sah, kam es ihr so vor, als hätte sie vergessen, wie schön er war und als würde sein perfektes Gesicht sie jedes Mal wieder aufs Neue überwältigen.
Auch er gestattete sich einen Augenblick lang, sie einfach nur voller Freude anzustrahlen während er ihr öffnete, doch dann wurde sein Blick besorgt. Er zog Emmaline rasch ins Innere und sah sich anschließend nach links und rechts auf der Straße um.
„ Es ist alles in Ordnung“, versuchte Emmaline ihn zu beruhigen, „Niemand hat mich verfolgt.“
Nathaniel ließ die Tür ins Schloss fallen, „Gut. Ich will nicht paranoid erscheinen, aber wir müssen wirklich vorsichtig sein. Man kann keinem mehr vertrauen, in diesen Tagen.“
„ Komisch. Das gleiche hat Adam auch kürzlich gemeint.“
Nathaniel runzelte die Stirn und bedeute Emmaline, ihm zu folgen.
Erst jetzt fiel ihr auf, dass das Haus komplett umgestaltet worden war. Die viktorianische Einrichtung war puristischen modernen Möbeln gewichen und die vorherrschenden Farben waren weiß, schwarz und grau. Die Vergangenheit schien komplett ausradiert - es war das komplette Gegenteil von Nathaniels Haus in Edinburgh.
Das einzige, was Emmaline in Nathaniels Arbeitszimmer vertraut war, war das mit Intarsien verzierte prachtvolle Parkett. Wortlos nahm sie in einem schmalen schwarzen Ledersessel Platz.
„ Ich konnte die alten Sachen nicht mehr sehen“, erklärte Nathaniel beinahe entschuldigend.
„ Es ist schön“, beeilte Emmaline sich zu sagen, „Wirklich sehr…modern.“
„ Ich benutze dieses Haus kaum. Wahrscheinlich macht es deshalb einen etwas kühlen Eindruck. Wenn ich mehr Zeit hier verbringen würde, könnte man es natürlich wohnlicher gestalten.“
„ Nein, nein. Es ist gefällt mir wirklich gut, Nathaniel. Ich war nur überrascht, das ist alles…“, sie verstummte.
Er setzte sich in den Sessel ihr gegenüber und Schweigen senkte sich über sie. Als die Stille begann unangenehm zu werden, sprang er nervös wieder auf, „Möchtest du etwas trinken?“
„ Nein danke.“, sie griff an das Medaillon, das sie um den Hals trug, „Du hast in Edinburgh auf die Rückseite unseres Bildes geschrieben, dass du hier sein würdest. Ich bin gekommen, um mit dir zu besprechen, wie wir weiter gegen Tristan vorgehen wollen.“
Seine grünen Augen bohrten sich fragend in die ihren „Nur deswegen?“
„ Nein“, sie hielt seinem Blick stand, „Nicht nur deswegen. Aber ich dachte mir es wäre unpassend, dich in dieser schwierigen Lage lediglich aus privaten Gründen aufzusuchen.“
„ Das Treffen mit Tristan findet schon heute Abend statt.“
„ Ich konnte nicht früher kommen. Adam und ich haben uns seit unserer Ankunft rund um die Uhr um Lily und Stella gekümmert.“
„ Was ist mit Adam?“
„ Er weiß nicht, dass ich hier bin.“
„ Das meinte
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