Das Mal der Schlange
als wir. Außerdem hat er geschworen, den anderen nichts von mir zu erzählen, damit ich weiterhin unter deinem Schutz hier in Rom sein kann. Er wollte nur helfen.“
„ Warum hast du mich nicht um Hilfe gebeten?“, an ihrer Stimme erkannte er, dass sie sich langsam beruhigte.
„ Weil ich dir schon genug zur Last falle. Und weil ich dich nicht in Gefahr bringen will. Ich dachte mir, dass es vielleicht noch einen offiziellen Weg gibt, um Gerechtigkeit zu erlangen. Dabei denke ich nur an später, an unsere gemeinsame Zukunft, mein Schatz. Ich hatte gehofft, es wäre eventuell möglich, Victor vor ein Ältestengericht zu bringen.“
„ Und dann wirst du mich verlassen!“
„ Aber nein, mein Herz.“ Er hauchte einen Kuss auf ihre Stirn, „Davon kann keine Rede sein! Ohne dich könnte ich nicht leben. Ich hatte vor, dich mit nach Edinburgh zu nehmen, wenn Victor nicht mehr da ist. Wer weiß, vielleicht setzen sie uns beide dort sogar als Oberhäupter ein. Dann wäre ich nicht mehr nur der heimatlose Flüchtling, sondern der Mann, der dich an die Spitze der Familie Edinburghs bringt. Würde dir das nicht gefallen?“
Ihre Augen verrieten ihm, dass seine Worte die gewünschte Wirkung hatten. Ilaria war machtgierig, unberechenbar und nicht zu unterschätzen. Das hatte er nun verstanden. Um sie endgültig wieder auf seine Seite zu ziehen fügte er hinzu, „Könntest du dir das denn vorstellen? In Schottland? Als meine Frau?“
„ Natürlich, Liebster“, flüsterte sie, „Das wäre wundervoll! Ich wäre sicherlich viel besser als Georgianna, diese Kuh! Vor mir hätte die Familie wenigstens Respekt! Aber die Zeit ist noch nicht reif, um Victor zu konfrontieren. Dafür ist er zu mächtig. Wir müssen ihn schwächen. Ich werde mir etwas überlegen, überlasse nur alles mir!“
Während sie sich küssten bemühte sich Tristan, seine Verzweiflung zu unterdrücken. Weshalb hatte er nicht gemerkt, wie misstrauisch Ilaria war? Dieser Fehler würde ihn Jahre kosten. Jahrzehnte womöglich. Und nie wieder durfte er ihre Eifersucht unterschätzen.
59.
2002
London
England
Inmitten der Neuzeithektik Londons wirkte das Dickens wie ein Relikt aus einer romantischen Vergangenheit. Man hatte den Eindruck, in eine andere Welt einzutauchen, sobald man die Türschwelle übertrat.
Für Adam und Emmaline hatte der außergewöhnliche Pub zudem noch den Vorteil, schräg gegenüber von Lily und Stellas Haus zu liegen. Selten waren mehr als ein oder zwei Tische besetzt, meist mit etwas schrägen Gestalten, die perfekt zu der viktorianischen Einrichtung passten.
Das Dickens schien der breiten Bevölkerung unbekannt zu sein. Entweder das, oder der moderne Londoner schätze es nicht, sein Feierabendbier bei Kerzenschein und aus Zinnkrügen zu trinken.
An seinem Tisch zwischen Eingang und Fenster, mit Blick auf das gegenüberliegende Gebäude wartete Adam nun schon seit einer Stunde auf Emmaline. Heute musste er das Haus nicht beobachten, denn die Mädchen saßen am Nebentisch und unterhielten sich gut gelaunt.
Mittlerweile war es draußen dunkel und kalt geworden. Er hatte es sich in einem plüschigen, weinroten Samtsessel bequem gemacht und grübelte. Vor ihm auf dem niedrigen Tisch standen eine halb herunter gebrannte Kerze und ein Zinnbecher mit Wein.
Wie man es auch drehen und wenden mochte, sie konnten es zu zweit nicht schaffen.
Falls er heute Nacht mit Emmaline ins Dorchester ging, waren die Mädchen schutzlos. Würde er bei den beiden bleiben, wäre Emmaline völlig auf sich alleine gestellt. Das war für Adam die schlimmste Vorstellung.
Ein kühler Windhauch streifte seine Beine, als der schwere Vorhang des Windfangs beiseite geschoben wurde und Emmaline und Nathaniel das Dickens betraten.
Mit einem Blick erfasste Emmaline die Situation - Adams sich verdunkelnde Augen, als er Nathaniel sah, dazu Lily und Stella am Tisch nebenan.
Schnell schlüpfte sie auf einen der freien Stühle und bedeutete Nathaniel, sich ebenfalls zu setzen.
„ Was macht er denn hier?“, presste Adam wütend hervor, „Ich dachte, du hattest die eindeutige Anweisung, ihn raus zu halten!“
Emmaline wollte ihm antworten, aber Nathaniel kam ihr zuvor. „Keine Sorge, Bruder. Wir haben uns diesen Schritt gut überlegt. Wenn du dich wieder beruhigt hast, werde ich es dir gerne erklären.“
Das warme braune Feuer kehrte in Adams Augen zurück und Emmaline erkannte, dass er verletzt war. Entschuldigend meinte sie, „Es tut mir leid. Ich
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