Das Mal der Schlange
gemacht werden.“
Tristan sog scharf die Luft ein, um zu protestieren, aber Sisto hob die Hand, um ihn am Sprechen zu hindern und fuhr fort, „Aber es kann gesühnt werden. Ich habe mich mit den anderen Ältesten darüber beraten, was zu tun ist, wenn ein Jäger, der Todsünden eigentlich bestrafen sollte, selbst Todsünden begeht. Es ist nicht so, dass wir außerhalb jeden Gesetzes stehen.“
„ Was soll ich also tun, Bruder?“
„ Bring den Fall vor ein Ältestengericht! Ein Wort von dir genügt und ich werden den anderen Ältesten Victors Namen nennen und den deinen und wir werden alles Weitere in die Wege leiten.“
„ Was heißt das genau? Werden sie ihn zum Tode verurteilen? Alles andere interessiert mich nämlich nicht!“
„ Du kannst dich darauf verlassen, dass wir gerecht sein werden. Ich bitte dich inständig nichts selbst zu unternehmen. Vertrau mir, Tristan.“
„ Dir vertraue ich, Sisto. Aber Victor vertraue ich nicht. Und sonst auch niemandem. Seine Verbindungen reichen in die allerhöchsten Ränge. Ich bin nur deshalb noch am Leben und in Freiheit, weil ich mich nur einer Handvoll Personen zu erkennen gegeben habe. Sei mir bitte nicht böse, ich zweifle nicht daran, dass ihr zu einem gerechten Urteil finden würdet – aber wie ich Victor kenne, würde er einen Prozess gar nicht erst zulassen.“
„ Du irrst dich! Die Familie wird auf deiner Seite sein, wenn sie erst die Wahrheit kennt – es sind nur einzelne Personen, wie Victor, die schlecht sind.“
„ Das glaube ich nicht. Deine wunderbare Familie macht seit Jahrhunderten Jagd auf mich. Ich habe nichts als Ablehnung und Feindseligkeit von ihr erfahren. Verzeih mir also, wenn ich den Zeitjägern nicht die gleiche Zuversicht entgegenbringen kann, wie du!“
Sisto verstand Tristans Misstrauen. „Was hast du vor?“
„ Gib mir noch etwas Zeit um einige Verbündete innerhalb der Familie zu finden, damit ich nicht als völliger Außenseiter das Oberhaupt von Edinburgh anklage. Wenn angesehene Jäger für mich sprechen, müssen mir die anderen Glauben schenken.“ Tristan steckte die Hände in die Taschen und drehte sich um, „Nenne den Ältesten noch keine Namen, ich bitte dich. Warte ab, bis du von mir hörst. Wenn es so weit ist, werde ich nicht nur starke Fürsprecher, sondern auch Beweise haben, die kein Gericht der Welt ignorieren kann. Dann werde ich Victors Ende in die Hände der Ältesten legen. Egal wie lange es noch dauern wird, ich bin froh, dich auf meiner Seite zu wissen, wenn der Tag kommt, an dem ich Gerechtigkeit fordere.“
Sisto nickte und legte eine Hand auf Tristans Schulter, „Und dann kannst du dir endlich deinen Herzenswunsch erfüllen und in deine Heimat zurück kehren!“, sagte er, bevor er wieder in den Schatten trat.
57.
2002
London
England
Wenn es regnet benutzen die meisten Menschen dunkle Regenschirme, schwarze, graue, oft einfarbig, manchmal auch dezent kariert. Stella hielt nicht viel von Schwarz, sie trug es aus Prinzip niemals, weil sie fand, dass es ihrem Teint nicht schmeichelte. Konsequenterweise war ihr Regenschirm an diesem Tag nicht dunkel, sondern leuchtete in Pink aus der Masse des Einheitsgraus hervor.
Mit einem flüchtigen Blick auf die Uhr hetzte sie von einem Bus zum nächsten, um noch rechtzeitig zur Arbeit zu kommen. Wie immer war sie hoffnungslos zu spät, aber der gesamte Verkehr steckte ohnehin im Stau auf der Kings Road fest. Während sie auf einen alten roten Doppeldecker aufsprang, hatte sie ihren Schirm bereits zu geklappt, so dass sie schnell die Treppe hinauf in das obere Stockwerk laufen konnte. Auch hier war es viel zu feucht und viel zu stickig, aber wenigstens gab es noch ein paar freie Plätze.
Sie setzte sich neben eine junge Frau die gelangweilt aus dem Fenster blickte. In Windeseile und mit geübten Fingern trug Stella ihr Make Up auf, selbst als der Bus sich mit ruckelnden Hopsern wieder in Bewegung setzte.
Nachdem die junge Frau ausgestiegen war, rutschte Stella ans Fenster, um nicht noch einmal aufstehen zu müssen, bis sich fertig geschminkt hatte. Sie bemerkte das junge Paar nicht, das in der Reihe hinter ihr saß.
Emmaline zog an der altmodischen Klingelleine.
„ Was tust du da?“, zischte Adam.
„ Ich steige an der nächsten Haltestelle aus.“
„ Wieso das denn?“
„ Ich muss noch etwas erledigen. Bleib du bei ihr“, flüsterte Emmaline mit einem Nicken nach vorne. „Lily ist schon in der Arbeit und Stella auf dem Weg dorthin. Es
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