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Das Mal der Schlange

Das Mal der Schlange

Titel: Das Mal der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Oliver
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geschwungen, sie war keinen einzigen Tag gealtert. Um ihre hellen, grauen Augen zogen sich keine Linien, aber der Blick darin war nicht mehr der einer jungen Frau. Tränen liefen über ihr Gesicht.
    Amelia stand auf und nahm sie in die Arme.
    Zunächst versuchte Emmaline sie weg zu schieben, aber dann brach ihr Widerstand und Amelia wiegte sie wie ein Kind in ihrer Umarmung, bis sie aufhörte zu weinen.
    „ Versteht ihr nun, warum ich euch verlassen musste?“
    Nicholas schüttelte fassungslos den Kopf, „Nicht ganz. Warum bist du junggeblieben, während wir alt geworden sind?“
    „ Deswegen bin ich heute zu euch gekommen. Ich konnte nicht noch einen von euch gehen lassen, ihr müsst die Wahrheit kennen.“
    Charlotte sah zu Amelia, „Gibt es noch etwas stärkeres als Tee?“
    Amelia nickte und erschien kurz darauf mit einem silbernen Tablett, Gläsern und einer Flasche Armagnac. „Jahrgang Neunzehnhundert. Ich vermute, es wird keine bessere Gelegenheit mehr geben, als heute.“
    „ Wo soll ich anfangen? Es ist eine sehr lange Geschichte.“
    Nicholas´ Stimme war beinahe amüsiert, „Mach dir keine Sorgen, Liebes, die Flasche ist voll und wir sind alle so gespannt darauf, dass trotz unseres Alters nicht mit einem plötzlichem Herztod zu rechnen sein wird.“

9.

    1900
    London
    England

    Er war ihr nach unten gefolgt, als sie von ihm weglief. Das Unwetter, welches draußen tobte, warf Regen und Blätter an die Scheiben des Wintergartens.
    Das Zimmermädchen hatte ihm erzählt, dass Emmaline heute das Haus verlassen hatte. Ohne sein Wissen und seine Erlaubnis war sie für mehrere Stunden verschwunden gewesen. Dachte sie etwa, er würde das nicht herausfinden?
    Die übermächtige Wut, die er empfand ließ das Blut in seinen Ohren rauschen. Er war wie von Sinnen.
    Als er sie zur Rede gestellt hatte, konnte er die Furcht in ihrem Gesicht sehen. Das erregte ihn.
    Aber bevor er sie nahm wollte er wissen, wo sie gewesen war.
    Es war ihm egal, dass ihre Verletzungen noch nicht verheilt waren, schließlich war es ihre Schuld, dass sie ihn erneut dazu zwang sie zu bestrafen.
    Die Wunde über ihrem Auge blutete wieder, sein Siegelring hatte dort die Haut aufplatzen lassen. Von der Wucht des Schlages war sie etwas benommen, trotzdem schaffte sie es aus ihrem Schlafzimmer zu fliehen und die Treppe hinunter zu laufen.
    Emmaline hoffte so schnell zu sein, dass er sie nicht einholen würde bis sie im Erdgeschoß war, denn einen zweiten Sturz von der Treppe würden ihre Knochen nur schwer verkraften.
    Ihre anfängliche Angst war wie ausgelöscht. Sie war ruhig, ihre Gedanken waren klar und sie wusste, dass es diesmal um Leben und Tod ging. So außer sich wie heute war er noch nie gewesen. Sie vermutete, dass ihm die Drogen, die er auf seiner Reise zweifellos bis zum Exzess konsumiert hatte, seinen Verstand geraubt hatten und dass er in seinem Gewaltrausch keine Grenzen kennen würde.
    Nach ihrer Flucht durch mehrere Räume war sie schließlich im Wintergarten angekommen.
    Die weite Glasfront am hinteren Teil des Hauses trennte Palmen und Orchideen von dem Gewitter draußen.
    Sie sah sich um. Endstation. Es gab nichts, wohinter sie sich verstecken konnte.
    `Dieser Platz ist ebenso gut, um zu sterben wie jeder andere im Haus`, dachte sie, `Aber ich werde es nicht kampflos tun.`
    Sie nahm den schweren silbernen Kerzenleuchter von der Mitte des Tisches und hielt ihn vor sich.
    In diesem Moment hatte Jacob die Tür zum Wintergarten erreicht. In seinen Augen stand Wahnsinn.
    „ Du wagst es deine Hand gegen mich zu erheben?“ brüllte er in rasender Wut. Ohne innezuhalten stürmte er auf Emmaline zu, schlug ihr den Kerzenhalter aus der Hand und versetzte ihr mit voller Wucht einen Stoß, der sie nach hinten katapultierte.
    Sie spürte, wie ihre Füße den Kontakt zum Boden verloren und die Glasscheibe in ihrem Rücken tausend Teile zerbrach. Noch bevor sie aufschlug hatte sie das Bewusstsein verloren.
    Einen Moment lang stand er über sie gebeugt, dann drehte er sich um und lief aus dem Haus. Sein Zorn war nicht besänftigt. Sie hatte ihm noch nicht das gegeben, was er wollte, aber nun war sie ohnmächtig, vielleicht auch tot, dann machte es keinen Spaß. Also würde er es sich bei einer anderen holen, willige Huren gab es schließlich an jeder Ecke.

    Der kalte Regen, der das Blut von ihrem Gesicht spülte, ließ Emmaline wieder zu sich kommen.
    Es war dunkel, sie war allein und ihr Körper fühlte sich taub an.
    Als sie sich

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