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Das Mal der Schlange

Das Mal der Schlange

Titel: Das Mal der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Oliver
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bedacht. Sie nahm sich vor, in Zukunft vorsichtig zu sein und sich nicht mehr von ihm blenden zu lassen. Dazu gehörte auch, dass sie ihn nicht merken ließ, ihn durchschaut zu haben.

    Emmaline und Daniele verbrachten die meiste Zeit im Haus in der Via della Lungaretta. Es war, als ob sie jede Sekunde, die ihnen gemeinsam vergönnt war, auskosten wollten, aber zu schnell kam der Tag an dem sie sich trennen mussten.
    „ Ich möchte, dass wir uns hier an der Haustür verabschieden“, sagte er, „Genau an der gleichen Stelle, an der wir uns wiedersehen werden.“
    Emmaline hatte das Gefühl, ihr Herz würde zerspringen. Sie wollte ihn nicht gehen lassen, aber es gab nichts, was sie dagegen tun konnte.
    Er legte einen Finger unter ihr Kinn und hob ihr gesenktes Gesicht an. „Es ist seltsam. Seit Tagen denke ich darüber nach, was es ist. Deine Familie – obwohl ihr euch alle nicht im Entferntesten ähnelt, ist ganz klar, dass ihr zusammen gehört. Und jetzt weiß ich, woran es liegt. Es sind eure Augen, in ihnen ist irgendetwas Besonderes, das ich sonst noch nie gesehen habe. Ein Feuer, das darin brennt.“
    An Stelle einer Antwort küsste sie ihn mit all ihrer Liebe. „Komm gesund wieder zurück zu mir“
    „ Sei nicht traurig, Emmaline. Wir schaffen das schon. Unser gemeinsames Leben hat doch gerade erst angefangen.“
    Tränen liefen über ihre Wangen, die er vorsichtig abwischte. „Es wird nicht mehr lange dauern. Sie sagen, dass es sicher der letzte Kriegswinter wird. Wenn alles gut geht, bin ich im Frühling wieder bei dir. Ich werde schreiben, so oft ich kann.“
    Seine Arme schlossen sich fest um sie und einige Minuten lang standen sie nur eng umschlungen da und hofften, sich nicht trennen zu müssen.
    Schließlich gab er sie widerstrebend frei, strich sich über seine Uniformjacke und setzte die Mütze auf.
    „ Ich werde mich gut um deine Großeltern kümmern.“
    „ Ich weiß.“
    Mit einer Hand öffnete er die Tür, mit der anderen zog er sie für einen letzten Kuss an sich.
    „ Ich liebe dich Emmaline.“
    „ Ich liebe dich Daniele.“
    „ Ich weiß es ist schwer, aber schenk mir ein letztes Lächeln wenn ich gehe, damit ich dich so in Erinnerung behalte.“
    Es kostete sie mehr Selbstbeherrschung als alles andere zuvor in ihrem Leben, aber das strahlende Lächeln, das ihr Gesicht erhellte, brannte sich in Danieles Herz und war sein wertvollster Schatz in der kommenden dunklen Zeit.
    Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte, lehnte sie sich schluchzend mit dem Rücken dagegen und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie sank auf die Knie, den Blick in die Ferne gerichtet und bewegte sich so lange nicht, bis keine Sonnenstrahlen mehr durch das kleine Fenster in der Hauswand fielen.
    Als es dunkel war, kippte sie lautlos zur Seite auf den kühlen Boden, zu einem kleinen Ball zusammengerollt und blieb auf der Türschwelle liegen, wie ein Hund.

    Wenn sie nicht versprochen hätte nach Eleonora und Carlo zu sehen, wäre sie nicht wieder aufgestanden, egal wie lang, Tage, Wochen, aber sie hatte jetzt eine richtige Familie, eine Verantwortung.
    Kraftlos stieg sie die Treppe hinauf, ging ins Badezimmer und ließ sich ein Bad ein. Sie spürte nicht, ob das Wasser warm oder kalt war. Gleichgültig lag sie eine Weile in der Wanne und rutschte so weit nach unten, bis Wasser in ihre Ohren lief und sie keine Geräusche mehr hörte, außer ihren Atemzügen und dem langsamen Pochen ihres Herzens. Wie konnte es noch schlagen, wo es gerade ein zweites Mal gestorben war?

    Die Sonne ging bereits erneut unter, als sie schließlich vor dem Gartentor in der Via della Navicella stand.
    Eleonora wartete an der Haustür und nahm sie in die Arme, „Ich weiß, Liebes, ich weiß. Ich habe das alles schon einmal durchgemacht, mit Carlo, damals“, beruhigend streichelte sie Emmalines Rücken. „Es ist entsetzlich. Man möchte meinen, die Menschen hätten aus dem ersten großen Krieg gelernt. Aber es kommen schon wieder Leid und Schmerz über uns und wir Frauen sind machtlos dagegen.“
    Emmaline wischte sich mit dem Handrücken über die Nase, „Ich wünschte, ich wäre ein Mann, dann müsste ich nicht tatenlos hier rumsitzen, sondern könnte dafür sorgen, dass es schnell zu einer Entscheidung kommt.“
    „ Die Männer haben den Krieg erfunden, also sollen sie es auch unter sich ausmachen, das ist meine Meinung! Keine Frau käme auf die wahnsinnige Idee, Millionen anderer Frauen abzuschlachten, egal aus welchem

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