Das Mal der Schlange
Grund!“, nachdrücklich schloss Eleonora die Haustüre und ging voraus in die Küche, „Hast du schon gegessen?“
Emmaline schüttelte den Kopf.
„ Dann setz dich. Carlo kommt erst später.“ Sie stellte einen großen Teller Pasta mit frischer Tomatensoße vor Emmaline und goss ihr ein Glas Rotwein ein.
„ Iss das, dann wird es dir besser gehen. Du kannst mir Gesellschaft leisten, während ich Bohnen putze, ich habe Berge davon.“
Erstaunlicherweise wirkten die köstlichen Nudeln und der Wein tatsächlich wie Balsam auf Emmaline, sie tunkte die Soße sogar noch mit einem Stück Brot auf. Dann half sie Eleonora mit den Bohnen. Die beiden merkten gar nicht wie die Zeit verging. Als Carlo schließlich nach Hause kam, war es kurz vor Mitternacht.
„ Du bleibst heute hier“, bestimmte Eleonora, „Es kommt nicht in Frage, dass du um diese Zeit alleine durch halb Rom läufst.“
Carlo nickte, „Warum schläfst du nicht in Danieles Zimmer? Dann kannst du morgen mit uns frühstücken. Jetzt wo er weg ist, kümmert sich ohnehin keiner um dich und wie ich dich kenne, kommt das Essen bei dir viel zu kurz.“
Emmaline liebte es, von den beiden umsorgt zu werden und sie hatte den Verdacht, dass Daniele das im Sinn gehabt hatte, als er sie bat, nach den ihnen zu sehen. Tatsache war, dass Carlo und Eleonora ihre Hilfe nicht brauchten, sie kamen sehr gut alleine zurecht, aber alle drei waren sie in Sorge um den Menschen, den sie liebten und das Zusammensein schien ihren Kummer etwas zu lindern.
Nach jener ersten Nacht verbrachte Emmaline die meiste Zeit im Haus von Danieles Großeltern. Aber sie ging jeden Tag in die Via della Lungaretta um nachzusehen, ob Post von Daniele gekommen war.
Seine Briefe waren ein Rettungsanker für sie.
Die Hitze des Sommers ging über in einen ungewöhnlich kühlen und feuchten Herbst.
Emmaline half Carlo bei der Ernte im Garten, pflückte Äpfel und Pflaumen, grub Kartoffeln aus und schließlich gab es draußen nicht mehr viel zu tun.
„ Es ist bald Weihnachten“, Carlo stand am Fenster und sah hinaus in den Regen, der seit Stunden vom Himmel fiel.
„ Denkst du, er wird über die Feiertage nach Hause kommen?“ Emmaline saß auf der Couch und strickte an einem Schal.
„ Wahrscheinlich nicht. Ich glaube, er kommt erst wieder wenn alles vorbei ist.“
„ Wie lange kann es denn noch dauern? Seitdem er in Deutschland ist, mache ich mir noch größere Sorgen um ihn.“
„ Ein paar Monate noch.“, er nickte zu ihr hinüber, „Wann bist du damit fertig?“
„ Jetzt! Wirst du ihn wirklich tragen?“ Sie stand auf und legte ihm den dunkelblauen Schal um den Hals. Am Anfang und am Ende war er breiter als in der Mitte und die Maschen waren unregelmäßig, dafür war er sehr lang. Er sah erbärmlich aus.
„ Natürlich!“, er schlang ein Ende über seine Schulter, „Es ist immerhin bitterkalt und es wird mir eine Freude sein, dein Erstlingswerk in Ehren zu halten.“ Zwinkernd drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn, „Danke, Kind, er ist wirklich sehr schön geworden.“
„ Ich gehe ein wenig nach draußen.“
„ Bei diesem Wetter?“
Sie nahm die Wolldecke von der Couch, „Ich bleibe auf der Veranda.“
Die Luft war frisch und sie wickelte sich eng in die Decke ein, bevor sie sich in den weißen Schaukelstuhl setzte.
Damit der vom Wind verwehte Regen ihre Füße nicht nass machte, hatte sie den Stuhl bis an die Hauswand zurück gezogen, so dass sie nicht schaukeln konnte. Es war schwer zu sagen, ob es nachmittags war, oder schon Abend, denn das Licht war grau.
In der Hand hielt sie zwei Briefe. Einer davon war von Daniele.
Er schrieb, dass der Winter in Deutschland hart war. In der Nähe der Berge, wo er sich aufhielt, lag Schnee und wenn das Wetter schlecht war, konnten die Flugzeuge nicht starten.
Es machte ihn traurig, von ihr getrennt zu sein, aber er hoffte bald nach Hause kommen zu können. Immer bevor er in die Luft aufstieg, dachte er an Emmalines Lächeln und betete, dass er überleben würde, um seine Frau wieder in die Arme schließen zu können.
Sie hatte den Brief schon mehrere Male gelesen, seit sie ihn am Morgen aus dem Briefkasten geholt hatte, aber sie konnte nicht genug davon bekommen seine Schrift auf dem Papier zu sehen. Worte, die er selbst geschrieben hatte, für sie. So fühlte sie sich ihm nahe.
Beunruhigt öffnete sie nun den zweiten Umschlag. Es befand sich kein Absender und keine Briefmarke darauf und sie wusste nicht, wer ihn
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