Das Mal der Schlange
ihrer Handtasche.
„ Gift?“, fragte Ilaria interessiert. Georgianna nickte, „Lauf du voraus und schlag die Plane über dem Boot beiseite. Emmaline, du gibst mir Deckung“
Sie hatten den Anfang des Piers bereits wieder erreicht und Ilaria rannte leichtfüßig an den beiden vorbei. Wie selbstverständlich sprang sie auf das Boot. Es lag an einer kleinen Mole und nur wenige Leute waren in der Nähe.
Der Mann war beinahe schon auf Höhe des Bootes, als Emmaline und Georgianna ihn erreicht hatten.
„ Entschuldigen sie bitte!“, rief Georgianna.
Er blieb stehen und drehte sich um. Georgianna trat auf ihn zu und stach mit einer geübten Handbewegung die vergiftete Nadel in seinen Arm – für Zuschauer musste es wirken, als ob sie ihm zur Begrüßung auf die Schulter klopfte. Dann trat Emmaline dazu und schüttelte den Sand von der mitgebrachten Stranddecke, gerade in dem Moment als der Mann umfiel, in das vorbereitete Boot hinein. Noch bevor sie die Decke wieder zusammengefaltet hatte, war Ilaria auf die Mole gesprungen, von dem Mann unter der Plane sah man keine Spur mehr.
Im Weggehen stolperte Georgianna nach wenigen Schritten und ihre Freundinnen fingen sie auf, bevor sie hinfallen konnte. Sie hielten sie kurz, bis sie wieder sicher auf ihren Beinen stand, dann gingen sie weiter die Strandpromenade entlang.
Als sie an einem kleinen Restaurant vorbei schlenderten, wurde von innen die Tür aufgerissen und eine Frau stürzte heraus. „Es ist zu Ende!“, schrie sie aus vollem Hals, „Der Krieg ist vorbei! Es kam gerade im Radio! Der Krieg ist aus!“
Emmaline schlug eine Hand vor den Mund. Konnte es wahr sein? Aber schon öffneten sich in der Straße sämtliche Fenster, Leute rannten aus ihren Häusern und alle riefen sie das gleiche. Der Krieg war wirklich zu Ende. Georgianna und Ilaria fielen Emmaline in die Arme und lachend hüpften sie im Kreis wie Kinder.
Daniele würde nach Hause kommen!
Das erste, was Emmaline nach dem Aufschließen der Haustüre machte, war die Klappe des Briefkastens anzuheben. Jeden Tag. Als sie nun freudestrahlend mit Georgianna heim kam, lag ein Brief darin. Es war Nathaniels Schrift und dieses Mal klebte eine Marke auf dem Umschlag, die bereits vor drei Wochen abgestempelt worden war.
Nervös riss sie ihn auf und las die kurze Nachricht.
„ Was schreibt er“, fragte Georgianna. Beunruhigt sah sie, wie Emmaline blass wurde und um Fassung rang.
Ohne zu antworten lief sie hinauf in die Küche und goss Grappa in ein großes Wasserglas. Sie trank in hastigen Zügen, dann hustete sie und stellte das Glas ab.
„ Daniele musste wieder fliegen, obwohl er noch nicht wieder ganz bei Kräften war. Dann wurde er abgeschossen.“
„ Was?“, entsetzt goss sich nun auch Georgianna Grappa ein.
Emmaline nickte, „Nathaniel konnte es nicht verhindern, er hatte einen anderen Befehl und war nicht dabei. Er war sich so sicher gewesen, dass sie Daniele noch nicht wieder einsetzen würden. Das ist aber noch nicht alles. Er hat herausgefunden, dass Daniele lebt und bei einem Bauern Unterschlupf gefunden hat, in den letzten Kriegstagen, als alles drunter und drüber ging. Offenbar wurde er beim Absturz verletzt und der Bauer hat ihm das Leben gerettet. Nathaniel hat sich auf den Weg gemacht, um ihn zu holen.“
„ Gut!“, Georgianna lief mit dem Glas in der Hand zwischen Spüle und Tisch hin und her, „Gut, gut, gut. Er lebt. Und Nathaniel wird ihn heim bringen. Gut. Wie geht es dir?“
„ Ich weiß nicht. Die Nachricht, dass er krank war, wieder fliegen musste, abgeschossen wurde, verletzt wurde und gerettet wurde – das macht mich verrückt vor Angst. Und dass Nathaniel ihn gefunden hat und hierher bringen will, lässt mich glauben, dass doch noch alles gut wird. Also, geht es mir nicht so schlecht, denke ich…“
„ Oh Emmaline! Ganz bestimmt sind sie bald hier!“
Die nächsten Tage wagte es Emmaline nicht, das Haus zu verlassen, aus Angst, sie könnte nicht da sein, wenn Daniele kam.
Georgianna war gerade zu Massimo gegangen, als es schließlich läutete.
Sie versuchte gefasst und stark zu wirken, als sie die Tür öffnete, aber als sie ihren Mann tatsächlich vor sich stehen sah, fiel sie ihm weinend um den Hals.
„ Daniele, du bist wirklich hier“, schluchzte sie, „Ich bin so glücklich! So glücklich!“
Er hielt sie fest in den Armen und atmete den Duft ihres Haares ein, auch über seine Wangen liefen Tränen.
„ Endlich, amore, ich dachte schon, ich würde
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