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Das Mal der Schlange

Das Mal der Schlange

Titel: Das Mal der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Oliver
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dich nie wiedersehen. Gott, ich habe dich so vermisst.“
    Sie zog ihn ins Haus und an ihrer Hand die Treppe hinauf bis ins Schlafzimmer. Im hellen Sonnenlicht, das durch die großen Fenster hereinfiel sah sie, dass er sehr dünn geworden war. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen, deren Azurblau unverändert strahlte. Sie knöpfte seine Uniformjacke auf. „Ich will, dass du diese schreckliche Uniform nie wieder anziehst“, sagte sie, „Wir verbrennen sie!“ Erst als sie ihm sein Hemd auszog, sah sie die Wunde an seiner rechten Seite.
    „ Es ist nichts. Nur eine Fleischwunde, die schon fast verheilt ist. Ich hatte unglaubliches Glück. Hast du Nathaniels Brief bekommen?“
    Sie nickte.
    „ Kann ich ein Bad nehmen?“
    „ Sicher!“, sie lief voraus und ließ Wasser für ihn ein.
    Als er in der Wanne saß, kniete sie sich daneben und wusch ihm behutsam den Rücken. „Er schrieb, ein Bauer hätte dich gefunden.“
    „ Das stimmt. Sonst wäre ich sicher gestorben. Er hat sein Leben für mich riskiert. Ich lag zwei Wochen lang in seinem Stall im Heu und er hat mir jeden Tag frische Milch und Kartoffeln gebracht, obwohl seine Familie selbst kaum etwas zu essen hatte. Und er hat meine Wunde versorgt. Als ich schon wieder einigermaßen bei Kräften war, kam Nathaniel. Keine Ahnung, woher er wusste, wo ich war.“
    „ Ich bin ihm sehr dankbar.“
    „ Und ich erst. Er war wie ein Schutzengel für mich, seit dem Tag, als mein Urlaub zu Ende war.“, er ließ warmes Wasser über Gesicht und Haar laufen, „Das werde ich ihm nie vergessen.“
    „ Wo ist er jetzt?“
    „ Er hat mich hierher gebracht, dann meinte er, er müsse Cousine Georgianna abholen und zurück nach Edinburgh bringen. Ich hatte ihn gebeten mit herein zu kommen, aber er wollte nicht.“
    Natürlich. Emmaline stand auf und begann Danieles Haare einzuseifen. Nun ergab es einen Sinn, dass Georgianna sich beinahe wehmütig von ihr verabschiedet hatte, als sie aus dem Haus gegangen war. Und sie verstand, weshalb Nathaniel sofort weitergereist war. Zu schmerzhaft wäre ein Wiedersehen gewesen, für sie beide. Trotzdem spürte sie den Stich der Enttäuschung in ihrem Magen.
    Einen Moment lang hatte sie gehofft, ihn wenigstens kurz zu sehen. Ihre Angst um ihn war groß gewesen, denn es war nicht ungefährlich für einen Zeitjäger im Krieg. Wenn sein Flugzeug explodiert wäre oder ihn eine Bombe getroffen hätte, wäre es egal gewesen, wie viele Lebensjahre er angesammelt hatte. Ohne Körper wäre auch seine Existenz zu Ende. Wunden heilten zwar schnell, aber wenn er verbrannte oder zerfetzt wurde, gab es keine Rettung.
    Deshalb war es umso mutiger von Nathaniel, dass er sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um Emmaline glücklich zu sehen.
    Aber sie wollte nicht über ihn nachdenken in diesem Augenblick, später. Sie legte Daniele ein Handtuch um die Schultern. Sein Haar war länger als sonst und er schüttelte es sich aus der Stirn.
    „ Meine wunderschöne Ehefrau.“
    Sie stand mit dem Rücken zum Spiegel und er drehte sie um, so dass sie beide ihre Gesichter nebeneinander sehen konnten.
    „ Wie lange habe ich darauf gewartet, dich wieder zu spüren.“
    Er trat hinter sie und küsste ihren Hals. Sie streckte die Arme über den Kopf und er zog ihr das Kleid aus, dann nahm er sie bei der Hand und führte sie hinüber ins Schlafzimmer.

33.

    1956
    New England
    USA

    Nach ihrer Landung in Boston hatten sie sich am Flughafen einen Wagen genommen und waren nun auf dem Weg nach Norden. Sie fuhren die Küste entlang und Emmaline musste sich eingestehen, dass die Landschaft Neuenglands atemberaubend war.
    Bunte Mischwälder in den flammenden Farben des Indian Summer wechselten sich ab mit fruchtbarem Farmland, roten Häusern mit weiß umrandeten Fenstern und riesigen hölzernen Scheunen. Dazu der tosende Atlantik, der weiße Schaumkronen an die schroffen Felsen spuckte – es war unbeschreiblich schön.
    Fast schämte sie sich für ihre britischen Vorbehalte, die sie vor ihrer ersten Amerikareise gehabt hatte.
    Die vergangenen elf Jahre waren gut zu Emmaline und Daniele gewesen.
    Nachdem er wieder zu Kräften gekommen war, hatte er sich an der Universität eingeschrieben, für Jura und nachdem er seinen Abschluss gemacht hatte, waren sie Georgiannas Einladung gefolgt, sie in Edinburgh zu besuchen.
    Sie hatten sich seit Danieles Heimkehr aus dem Krieg nicht mehr gesehen und Emmaline hatte sich sehr auf die Reise gefreut. Es waren schöne Tage gewesen und

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