Das Mallorca Kartell (German Edition)
Innenstadt. Sie hatte es nicht eilig und wählte bewusst den längeren Weg am Hafen entlang. Sie genoss die Fahrt auf der von Palmen gesäumten Küstenstraße, die sie am Almudaina-Palast vorbeiführte. Der Regierungssitz lag direkt neben der historischen Seehandelsbörse Sa Llotja und Palmas Kathedrale La Seu, die hoch über dem Parc de la Mar thronte. Sie liebte diese alten Gebäude. Einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie in das kleine Kaffee am Parc de la Mar einkehren sollte, um dort mit Blick auf die Kathedrale eine Kleinigkeit zu essen. Ihr Magen knurrte merklich. Trotzdem entschied sie sich dagegen. Célia wartete auf sie und wäre enttäuscht, wenn sie nicht hungrig bei ihr ankäme. Sie fuhr an den historischen Bauwerken im maurischen Stil vorbei, bog vor dem Gesa-Gebäude links in die Avenidas ein, die quer durch Palmas Innenstadt führten, wo der GOB, nahe der Plaça d´ Espanya, sein Büro hatte.
Im Büro traf sie auf ihren Kollegen Martin Schneider. »Der Chef hat hohen Besuch!«, verkündete dieser mit wichtiger Miene.
»Prima, dann kann ich mich früher verdrücken als geplant«, erwiderte Cristina mit einem Lächeln.
»Das glaube ich nicht. Jesús meinte, du könntest ihn und Diego Torres zum Essen begleiten.«
»Diego Torres? Den Namen habe ich schon mal gehört. Ist das nicht der Typ, der dem GOB kürzlich einen fetten Spendenscheck übergeben hat?«
»Genau der. Warum darfst du eigentlich immer zu solchen Terminen mit?«, fragte Martin neidisch.
»Die zweifelhafte Ehre überlasse ich gerne dir. Ich habe sowieso andere Pläne.« Cristina hatte die ganze Woche über keine Zeit für Célia gefunden und wollte den Besuch keinesfalls schon wieder verschieben.
»Ach, du bist zurück? Das ist ja wunderbar!« Ihr Chef Jesús Colón trat auf sie zu. »Wie lief der Vortrag im Bellver College?«
»Gut. Vor allem die Bilder mit den toten Vögeln haben einen ziemlichen Eindruck hinterlassen. Ich kam mir schon ganz mies vor, die Zwerge derart zu schockieren.« Sie warf ihre Aktentasche auf den Schreibtisch und ließ sich in den Stuhl fallen. »Ich schreibe noch kurz die Notiz für die Akten und mache mich gleich wieder auf den Weg. Es kam gestern ein Beschwerdeanruf, um den ich mich kümmern muss.« Das war nicht gänzlich gelogen, denn Célia hatte sich tatsächlich beschwert, da sich Cristina so selten Zeit für sie nahm.
»Das ist denkbar ungünstig. Ich wollte dich bitten, mit mir und Herrn Torres essen zu gehen. Er will mit uns sein Bauprojekt besprechen. Dafür sucht er nach einem großen Gelände, auf dem er ein ähnliches Projekt wie unsere Finca S a Trapa aufziehen kann.«
Cristina bekam ein schlechtes Gewissen wegen ihrer Ausrede, doch nun war es zu spät. »Nimm doch Martin mit. Dann bekommt er ein bisschen Übung im Berichtschreiben. Sein Spanisch ist übrigens schon viel besser geworden.«
Cristina blinzelte Martin verschwörerisch zu.
»Martin, traust du dir das zu?«, fragte Jesús. Martin nickte begeistert. »Gut. Trotzdem möchte ich dir Diego Torres vorstellen«, meinte Jesús mit einem Blick in Cristinas Richtung. Cristina stand auf und folgte ihrem Chef in dessen Büro, wo Diego Torres ein wenig großspurig im Sessel hockte und eine Zigarre paffte.
»Diego, das hier ist meine Assistentin Cristina Díaz. Leider ist sie heute geschäftlich verhindert, aber sie begleitet uns sicher gern ein andermal.«
Diego Torres legte seine Zigarre in den Aschenbecher, bevor er Cristina die Hand reichte. »Sehr angenehm«, schnurrte er und lächelte Cristina freundlich an.
»Gleichfalls. Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen.« Der Mann kam ihr bekannt vor. »Sollte ich Ihnen irgendwie helfen können, dann lassen Sie es mich bitte wissen.«
»Das ist sehr nett von Ihnen, Cristina. Ich darf Sie doch Cristina nennen, oder?«
»Natürlich, Señor Torres.«
«Nennen Sie mich bitte Diego. Señor Torres klingt so förmlich. Da fühle ich mich gleich zwanzig Jahre älter.«
Cristina lachte. Seine charmante Art gefiel ihr. Wäre er besagte zwanzig Jahre jünger gewesen, hätte sie sich vielleicht doch noch diesem Essen angeschlossen.
»Wir machen uns besser auf den Weg, sonst sind die besten Tische besetzt«, schaltete sich ihr Chef ein und begleitete Diego aus seinem Büro, wo Martin bereits ungeduldig auf sie wartete.
Cristina blickte ihnen nach und überlegte kurz, ob sie Diego Torres früher schon begegnet war. Nachdem sie sich nicht erinnern konnte, verwarf sie den Gedanken und machte
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