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Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Kusnezow
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majestätisch wie die wahre Herrscherin des Tunnels genau über jene Stelle, an der Sergej sich eben noch befunden hatte. Sergej bedeckte die Augen mit den Händen. Für einen Augenblick fühlte er sich wie in der Hölle, dann verlor er das Bewusstsein.
     
     
    »Hier ist niemand«, sagte Max.
    Sergej saß gegen die rechte Tunnelwand gelehnt da und hielt seinen Sohn in den Armen. Der Junge drückte ein mit Wasserstoffperoxid getränktes Mullstück aus der Reiseapotheke, die sie an der Nowogirejewo erhalten hatten, auf das Gesicht seines Vaters. In der Luft stand noch die Hitze des »Drachenhauchs«. Max, dessen Tarnanzug an Rücken, Po und Waden völlig verkohlt war, kroch ächzend und fluchend in Sergejs Nische und leuchtete sie mit der Taschenlampe ab.
    »Nein, hier ist niemand«, wiederholte er. »Und wahrscheinlich war hier auch noch nie jemand.«
    »Dann habe ich mir den Fußtritt ins Gesicht wohl selbst verpasst …«, murmelte Sergej müde und undeutlich unter dem Mull hervor.
    Max ächzte wieder, fluchte, aber er hatte es nicht eilig, den Unterschlupf zu verlassen.
    »Brennt dein Hintern nicht?«, fragte Sergej schadenfroh.
    »Der ist völlig abgefackelt«, entgegnete Max gutmütig und erschien wieder im Tunnel. »Ich habe da was gefunden.
Willst du es dir ansehen? Jetzt lass ihn schon los!« Die letzten Worte hatte er an Denis gerichtet.
    »Ich kann nicht«, sagte der Junge fest. »Papa ist verwundet. «
    »Im Kopf. Von Geburt an. Er ist nicht verwundet, er hat einen Knacks im Hirn.« Max lachte heiser.
    Es klang derb, aber nicht beleidigend.
    Sergej schob die Hand seines Sohnes beiseite, was er schon einige Male getan hatte, erhob sich und ging zur gegenüberliegenden Wand.
    Max leuchtete ihm ins Gesicht und sagte: »Oho! Du warst ja vorher schon eine echte Augenweide, aber jetzt wirst du die Mädchen endgültig umhauen …«
    »Sicher doch, ich werde sie allesamt um den kleinen Finger wickeln. Damit sie dir die Löcher im Hosenboden stopfen. Wer weiß, vielleicht findet sich ein Dummchen, das sich darauf einlässt.« Sergej ließ sich auf alle viere nieder. »Was haben wir denn da?«
    Max leuchtete mit der Taschenlampe die ziemlich tief gelegene, aber schmale und nicht sonderlich hohe Nische in der Tunnelwand ab – hier hätten leicht drei Leute Platz gefunden. Auf dem Boden in der Ecke wurde ein unscheinbares Einstiegsloch sichtbar. Max beleuchtete seine Umrisse: Es war so klein, dass nicht einmal jedes Kind hineingepasst hätte und erst recht kein Erwachsener.
    »Wohin mag es führen?«, murmelte Sergej vor sich hin.
    »Keinen Schimmer«, sagte Max. Er trat noch näher an das Einstiegsloch und richtete den Strahl seiner Taschenlampe hinein. Das Licht reichte nicht weit, erfasste nur eine niedrige Betondecke, einen Fußboden, der mit leichtem Gefälle
abwärtsführte, und Wände. Aus dem Gang drang kein Laut.
    »Ich hatte Recht«, sagte Sergej. »Hier war jemand. Er hat mir den Fuß ins Gesicht gestoßen, und als er die Quittung dafür erhalten hat, ist er durch dieses Loch auf und davon.«
    Max leuchtete jetzt Sergej ins Gesicht, schüttelte den Kopf und sagte: »Du hast vielleicht eine Fresse, Kolomin … Was meinst du, sollen wir Denis bitten? Vielleicht findet er heraus, wohin dein Angreifer verschwunden ist.«
    »Bist du verrückt? Ich lass ihn nicht aus den Augen! Außerdem haben wir keine Zeit dafür.«
    Max kroch in den Tunnel zurück, und Sergej folgte ihm.
    Wie der schnurrbärtige Wachmann von der Nowogirejewo , dieser Kenner der Metro-Legenden, es vorausgesagt hatte, war keine Spur von dem Feuer geblieben. Der Tunnel sah genauso aus wie zuvor. Wären da nicht Max’ verkohlte Jacke und Hose und ein Rest Hitze in der Luft gewesen, Sergej hätte gedacht, das Ganze sei nur ein Traum gewesen. Die geteerten Eisenbahnschwellen zum Beispiel waren völlig unbeschädigt.
    Max begann sich die Beine und den Oberkörper abzuklopfen, um den Staub, der sich in der Nische über die Jahre angehäuft hatte, wieder loszuwerden.
    »Also bitte, übertreib’s nicht«, sagte Sergej.
    »Bald kommen wir zur Station. Ich kann doch nicht wie ein Obdachloser herumlaufen.« Max blickte zu Sergej hinüber und fügte ungerührt hinzu: »So wie du, zum Beispiel.«
    Sergej besah sich selbst im Schein der Taschenlampe. Sein ehemals relativ sauberer Anzug war über und über mit
grau-schwarzen Flecken bedeckt. Er begann sich ebenfalls abzuklopfen.
    Sein Gesicht schmerzte und glühte. Auch die Wunde an seiner Schulter begann

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