Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou
kennengelernt?«
»In Nachtclubs. Wissen Sie, der stammt aus ärmsten Verhältnissen. Mohammed und sein Schwager sind in den verratzten Hütten des Bidonville von Gennevilliers aufgewachsen. Monsieur Ibrahim hat immerhin so was wie Ingenieur gelernt und einige Jahre bei der Eisenbahn am Ausbau der Schnellstrecke Paris-Bordeaux gearbeitet. Mohammed dagegen gehörte einer üblen Jugendbande an. Ich glaube, der hat sogar mal wegen eines bewaffneten Überfalls auf ein Schmuckgeschäft gesessen. Mohammed ist erst durch so manche Beziehungen, die er in den Nachtclubs anbahnte und sicher auch durch das Geschäft mit meinem Modelabel zu Geld gekommen. Und jetzt hat er mich auch noch beschissen. Ich vermute, dass er mich nicht nur um die fünfzigtausend behumst hat, sondern die Buchführung stetig zu seinen Gunsten schönte. Wir werden es rausfinden.«
»Wissen Sie, wo wir Monsieur Ibrahim Rossi finden können?«, fragte Jean Mahon.
»In Paris? Keine Ahnung.«
»Arbeitet er noch bei der Eisenbahn?«
»Wie man’s nimmt. Der lebt jetzt in Marrakesch. Angeblich arbeitet er bei einem Ingenieurbüro, das mit dem Bau einer Schnellstrecke der Bahn in Marokko zu tun hat. Als wenn die nicht schon jetzt schnell genug hierherkämen!«
»Aber vor vierzehn Tagen war er hier in Paris?«
»Ja. Hier im Büro.«
»Wissen Sie, ob er vielleicht jetzt auch noch in Paris ist?«
»Nee, keine Ahnung. Wirklich keine Ahnung.«
Jean Mahon ließ seinen Blick über die teure Einrichtung des Büros schweifen. Dann sagte er: »Vornehm eingerichtet!«
»Typisch Mohammed. Hat uns ’ne Stange Geld gekostet. Aber er musste ja angeben.«
Auf der Fahrt zum »Fouquet’s« auf den Champs-Élysées, wo Jacques ihn zum Mittagessen mit Margaux in dem neu eröffneten Restaurant »La Petite Maison« erwartete, ließ Jean Mahon die Fahndung nach Ibrahim Rossi anlaufen. Und noch bevor er beim Restaurant ankam, erhielt er die Kurznachricht auf seinem Smartphone, Ibrahim Rossi sei drei Stunden nach dem Mord an seinem Schwager Mohammed vom Flughafen Orly mit einer Direktmaschine nach Marrakesch geflogen.
Mittags bei Nicole
M argaux kam zu früh. Was erstaunlich war. Aber weil man an dieser Ecke Avenue des Champs-Élysées und Avenue Georges V., wo das »Fouquet’s« liegt, nie einen Parkplatz findet, war sie in die Metro gestiegen. Im mehr als hundert Jahre alten Traditionshaus »Fouquet’s« verkehrten immer noch Politik, Film und Autoren von Weltruhm.
Und für jeden berühmten Stammgast hielt das Restaurant einen Serviettenring mit eingraviertem Namen bereit.
Doch der Ruf hatte in den letzten Jahren gelitten. Vielleicht auch deswegen, weil Nicolas Sarkozy hier wie ein neureicher Protzer, der er ja auch war, seinerzeit den Sieg in den Präsidentschaftswahlen mit seinen Bling-Bling-Freunden gefeiert hat. Jener Abend im »Fouquet’s« war in Paris noch unvergessen. Deshalb hatte der Besitzer beschlossen, seinem Haus ein frisches Image zu geben und das Konzept und den Namen des als cool angesehenen Restaurants »La Petite Maison« aus Nizza auf sein Lokal zu übertragen.
»Ich habe keine fünfzehn Minuten von der Redaktion bis hierher gebraucht«, sagte Margaux zu Nicole, der Wirtin von »La Petite Maison« in Nizza, als die sie mit zwei Wangenküssen empfing.
»Kommst du allein?« fragte Nicole.
»Wieso, darf ich das nicht? Gilt hier immer noch die Regel aus den Zeiten von Sarah Bernhardt, wonach alleinstehende Frauen im ›Fouquet’s‹ keinen Zugang haben?«
»Das war vor hundert Jahren, als man Geldschmusen hat fernhalten wollen. Aber welche Frau ist das heute nicht?«
Nicole, wie immer ganz in Schwarz von Sonia Rykiel eingekleidet, führte Margaux an einen Tisch, der für drei Personen eingedeckt war. Sie kannte Margaux, weil die Journalistin in Nizza manchen Abend mit Jacques in der »Petite Maison« verbracht hatte.
»Nicole, ich dachte, dein Pariser Ableger mache nur abends auf.«
»Die ersten vier Wochen auch mittags, damit sich’s rumspricht«, sagte Nicole, deren Stammlokal in Nizza jeden anzog, der an der Côte d’Azur vorbeikam. Bono von »U 2« war dort ebenso Stammgast wie der Schauspieler Michael Caine und die Herrschaften aus Monaco. Elton John hat sich da wieder mit Madonna versöhnt, und Bill Clinton aß in der »Petite Maison« mit großer Entourage. Nicolas Sarkozy sowieso, denn dessen Anwalt hatte Nicoles Tochter geheiratet. Und Sarkozy hatte, als er im Amt war, Staatsgäste und Präsidenten wie Hu Jintao aus China, Zuma
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