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Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Titel: Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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Pferdewagen zusammenstoßen, die ihnen entgegenkamen.
    Das Dorf wirkte wie ausgestorben.
    Der ockerfarbene Staub des Lehms, aus dem die flachen Häuser gebaut waren, wirbelte hinter dem Wagen hoch. Brahim schien den Weg schon häufiger gefahren zu sein. Denn ohne sich zu erkundigen, fand er in den verwinkelten Straßen des Ortes die Ecke, an dem ein kleines Mädchen stand und auf Jacques wartete.
    Jacques grüßte sie auf Französisch, sie antwortete nicht, sondern drehte sich um und lief schnell durch die Gassen, die so eng waren, dass ein Kamel oder ein Esel, aber kein Auto hindurchpassten. Gegen die Sonne schützte eine lange Matte aus Stroh, oder war es Schilf?, die auf den Dächern rechts und links lag. Das Mädchen sprang von einem Bein auf das andere, und als es bei einer kleinen Pforte anhielt, wollte Jacques sie fragen, ob er hier Ali treffen würde. Aber das Mädchen zog nur eine Schnute, als wolle es pfeifen und rannte davon. Es war wohl stumm.
    Ali öffnete die Holztür, zog Jacques schnell ins Innere und führte ihn in ein kahles Zimmer, dessen Tür zum Garten hin offen stand. Dort wuchsen einige Olivenbäume, drei Ziegen standen in einem alten Arganbaum und knabberten an den Zweigen.
    Der Boden des Raumes war mit Teppichen ausgelegt. Ali wiederholte, welche Ehre es ihm sei, dem Untersuchungsrichter aus Paris zu helfen, goss ihm Tee mit Minze in ein kleines Glas und reichte ihm eine Schale Datteln. Dann zog er sein Notizbuch hervor.
    »Was ich herausgefunden habe, ist Gold wert. Monsieur le Juge, ich muss ja auch von irgendetwas leben. Wie hoch ist das Honorar, das die französische Justiz mir zahlen kann?«
    Jacques war überrascht. Aber der Mann hatte ja recht. Weshalb sollte er recherchieren, ohne entlohnt zu werden.
    »Ali, wir werden einen Weg finden, Sie zufriedenzustellen.«
    »Sagen Sie mir, wie viel das sein wird?«
    Jacques fiel ein, dass die Polizisten ihm sein Geld abgenommen hatten.
    Aber das konnte er Ali nicht sagen. Er musste bluffen. Was war wohl Alis Monatsverdienst? Er versuchte eine Summe über den Daumen anzupeilen.
    »Das kann sehr hoch gehen. Vielleicht tausend oder zweitausend Euro.«
    Ali überlegte einen Augenblick, schaute in sein Notizbuch, schwieg.
    Hatte Jacques zu wenig angeboten? Oder gehörte es zum Bazar, eine Summe, gleichgültig wie hoch sie war, erst einmal infrage zu stellen?
    »Vielleicht werden Sie meine Informationen doch wertvoller einschätzen«, sagte Ali. »Aber das können Sie selbst beurteilen, wenn Sie hören, was ich herausgefunden habe. Und das ist hundertprozentig sicher. Das Attentat ist vom marokkanischen Militär in Auftrag gegeben worden. Durchgeführt haben es Ehemalige, die jetzt in einer Sicherheitsfirma angestellt sind. Den Explosivstoff hat ihnen ein Sprengmeister der Armee ausgehändigt.«
    »Aber, Ali, welches Interesse hat das Militär an solch einem Anschlag? Es geht doch um ein staatliches Projekt, an dem französische Ingenieure mitarbeiten.«
    »Ja, es geht um ein staatliches Projekt, aber die Franzosen verdienen daran viel Geld. Und wahrscheinlich war das hier eine Warnung an Frankreich.«
    »Warum sollte Frankreich gewarnt werden?«
    »Weil es seine geheimen Verabredungen nicht einhält.«
    »Woher haben Sie Ihr Wissen?«
    »Es war nicht allzu schwierig, die Informationen zu erhalten, Monsieur Ricou. Ich vermute, die Botschaft soll auch ankommen. Der Sprengmeister ist mit meiner Frau verwandt. Und er hat ziemlich bereitwillig ausgesagt gegen eine Entschädigung, die ich für Sie vorgestreckt habe.«
    »Vielleicht hat er nur wegen des Geldes eine Geschichte erfunden.«
    Ali seufzte: »Bitte halten Sie mich nicht für einen Dilettanten. Auch wir Journalisten haben unsere Ehre. Und unsere Regeln. Zwei voneinander unabhängige Quellen müssen eine Tatsache bestätigen, bevor wir sie weitergeben.«
    »Gut. Und wer war die zweite Quelle?«
    »Ein Gewährsmann bei der DST , beim Geheimdienst. Ich kenne ihn gut, und helfe ihm, wann immer ich einen bezahlten Auftrag habe, seine Geliebte zu finanzieren. Um seine Glaubwürdigkeit zu unterstreichen, hat er vorausgesagt, dass heute oder morgen eine angebliche Terrorgruppe von Islamisten wegen des Attentats verhaftet werden wird. Und man wird viele Kilo Schwarzpulver bei deren Chef in der Wohnung finden.«
    »Das war kein Schwarzpulver bei dem Attentat!«, sagte Jacques.
    »Macht nichts. Vielleicht soll es den Franzosen beweisen, dass das Attentat eine Warnung war. Aber nur eine erste

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