Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou
Dati. Iskandar Dati.«
»Ja, er nennt sich jetzt Alexandre.«
»Früher habe ich Geld als Taxifahrer verdient und Dati manchmal hierhergefahren. Er hat sich gut mit dem Vater seiner Verlobten verstanden. Doch dann hat Hariri ihm das Mädchen in Paris ausgespannt. Was Hariri nicht wusste, sie vielleicht zu dem Zeitpunkt auch nicht, dass sie von Dati schwanger war. Dati wollte die Frau und das Kind. Aber Hariri hat sie zur Abtreibung gezwungen. Jetzt haben sie keine Kinder, und alle in ihrer Familie sagen, das sei der Fluch wegen der Abtreibung. Und Hariri geht fremd, wenn er nur einen Rock sieht.«
Ein heller Mercedes fuhr schnell durch das Dorf, bremste bei der Abzweigung zur Orangenplantage und bog in die Palmenallee ein.
»Das ist Rossis Wagen«, sagte Ali und stand auf. »Er fährt selbst. Sollen wir hinterher?«
»Lassen wir ihnen eine halbe Stunde, sich zu besprechen«, sagte Jacques.
Doch schon fünfzehn Minuten später kam der helle Mercedes wieder auf der Palmenallee zurück. Jacques sprang auf, rief Ali zu, er solle sich beeilen, Brahim ließ den Wagen an. Der Mercedes bog jedoch nicht in ihre Richtung auf die Landstraße ein, sondern nahm den Weg ins Gebirge.
»Hariri hat sich in den Bergen ein Liebesnest mit schönster Aussicht ins Abendrot zugelegt. Ganz modern«, sagte Ali. »Wahrscheinlich fährt er mit Ibrahim Rossi da hin.«
Brahim gab sich alle Mühe, mit seinem alten Wagen den Abstand zum Mercedes zu verringern, aber der fuhr schneller durch die steilen Kurven. Brahim fluchte, als er Rossi aus den Augen verloren hatte und nicht einmal seine Staubwolke sah.
Doch nach einer weiten Kurve war der Mercedes wohl von Straßenarbeiten aufgehalten worden. Brahim fuhr langsamer, und Jacques erkannte zwei Männer im Auto.
»Da sitzt Hariri neben Rossi«, sagte Ali aufgeregt und lehnte sich vor. Riesige Maschinen standen am Straßenrand. Es waren keine Arbeiter zu sehen. Brahim hielt, ging vom Gas.
Der Mercedes rollte langsam über das Schotterbett der Straße. Als er auf der Höhe der Baumaschinen war, hob ein Bagger erstaunlich schnell seine schwere Schaufel. Mit laut aufheulendem Dieselmotor drehten sich die Ketten, aus dem Auspuffrohr quollen stoßweise schwarze Rauchwolken nach oben, und der Bagger machte einen Sprung vorwärts. Die Schaufel traf den Mercedes genau in die Seite und warf den Wagen mit Rossi und Hariri den steilen Felsabhang hinab.
Der schwere Bagger schien einen Moment anzuhalten, doch dann stürzte er mit großem Getöse hinterher.
Mein Gott!, rief Jacques oder dachte es nur.
Brahim hielt an.
Ali sprang aus dem Wagen und wollte zu dem Unfallort rennen.
»Bleib hier«, befahl Brahim ihm kurz. Und Ali kam wie ein gefügiger Hund mit eingezogenem Schwanz zurück.
Wenige Sekunden später sah Jacques einen Mann in lehmfarbener Arbeitskleidung auf einem Motorrad die Baustelle verlassen und mit Karacho den Berg hochfahren.
Brahim hatte sein Telefon aus dem Kaftan gezogen und den Notruf gedrückt. Aber er bekam kein Netz. Von der Unfallstelle aus schaute Jacques in den Abgrund. Der Mercedes war fünfzig Meter tief gefallen. Der Bagger hatte den hinteren Teil der Limousine plattgedrückt und war gut zwanzig Meter tiefer liegen geblieben.
Es rührte sich niemand.
Der Felshang war zu steil und zu glatt, um hinunterzuklettern.
Brahim fragte, ob sie den Unfall nicht der Polizei melden sollten?
»Ja, aber wie? Und, ein Unfall war das niemals.«
Jacques fragte Ali, ob er die Telefonnummer der Orangenplantage von Hariris Schwiegervater habe. Nein, aber die könnte er schnell rausfinden. Die stünde wahrscheinlich im Telefonbuch.
Jacques schlug vor, zurück zum »Café moderne« an der Tankstelle zu fahren. Von dort aus könnte Ali auf der Orangenplantage anrufen, den Vorfall anonym melden und sofort aufhängen. Das wäre besser als eine Meldung bei der Polizei, denn die würde die Nummer des Anrufers sehen.
»Gut, dann steigt aber schnell ein«, sagte Brahim und drehte den Wagen.
Monsieur bedrängt den Mörder
U m ein Uhr saß Monsieur an seinem gewohnten Platz im »Le Pacifique«. Das Lokal war voller als üblich. Vielleicht war die Schlacht mit den Afrikanern während des Hochzeitsfestes am Wochenende trotz allem Werbung gewesen.
Gao Qiu hatte ihn nicht kommen sehen. Er griff eine Speisekarte und begrüßte Monsieur wie jeden Stammgast.
Monsieur nahm die Karte, schaute hinein und sagte: »Ich werde langsam ungeduldig. Sie haben den Auftrag noch nicht ausgeführt. Warum
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