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Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou

Titel: Das marokkanische Mädchen. Ein Fall für Jacques Ricou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Wickert
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offensichtlich nur darum gegangen, die Aufmerksamkeit auf eine Person zu lenken. Denn als Vermittler des Vertrages wurden zwar zwei Namen genannt, aber einer war geschwärzt.
    Der andere lautete: Georges Hariri.
    Den Vermittlern wurde eine Provision von vier Prozent der Vertragssumme zugesagt. Zahlbar in fünf Tranchen.
    Schnell suchte Margaux per Intranet Artikel über das Geschäft im Archiv der Zeitung. Die Kosten wurden dort mit sieben Milliarden Euro angegeben. Das machte pro Vermittler eine Summe von 140  Millionen.
    Margaux griff zum Telefon und wählte die Nummer des Chefredakteurs. Er hob nach dem ersten Klingelton ab.
    »Jean-Marc, hast du noch einen Moment? Ich habe eine heiße Sache!«
    »Komm rüber.«
    Er hatte, wie immer, eine gelbe Gitane im Mund, nahm einen ausgiebigen letzten Zug, drückte den Stummel im Aschenbecher aus und deutete auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.
    »Schieß los!«
    »Ich habe von einem Corbeau einen Brief erhalten. Ich vermute, er will uns darauf hinweisen, dass in dem TGV -Vertrag mit Marokko hohe Summen an Bestechungsgeldern gezahlt werden. Einer der Schmiergeldvermittler ist offenbar Georges Hariri. Und dem gehört das Ingenieurbüro, vor dem gestern in Marrakesch das irrsinnige Attentat verübt wurde.«
    »Man fragt sich immer noch, warum?«
    »Wenn ich jetzt ganz gewagt spekuliere, dann könnte diese Sache mit dem Mord an dem Marokkaner Mohammed zusammenhängen. Denn Alexandre Dati hat mir gegenüber eine enge Verbindung zwischen Mohammed und Hariri angedeutet. Und die Geschichte kann besonders pikant werden, weil Hariri angeblich Unterlagen über Zahlungen Gaddafis an Sarkozy während des Wahlkampfes besitzt. Möglicherweise hängt da auch dein Freund Ronsard mit drin.«
    »Ronsard? Ist nie mein Freund gewesen! Und das sind Spekulationen, Margaux. Und Spekulationen drucken wir nicht.«
    »Lass mich weiter spekulieren. Bisher sind bei all diesen großen Geschäften immer Vermittler eingeschaltet worden, die mit dem Entstehen des Vertrags nichts zu tun hatten. Sie erhielten wahnsinnige Summen, mit denen zum einen Leute in Regierung und Behörden des anderen Landes bestochen wurden, ein anderer Teil floss zurück auf Schweizer Konten von französischen Politikern, die das vornehm ›Retrokommissionen‹ nennen und damit ihren Lebensstil verbessern oder Wahlkämpfe finanzieren.«
    »Was davon ist hart?«, fragte Jean-Marc.
    »Hart ist nur, was in den Kopien steht. Falls sie echt sind.«
    Das war wenig: Hariri wird als Vermittler neben einem unbekannten Zweiten angegeben und erhält dafür zwei Prozent der Vertragssumme. Mehr ergeben die Kopien nicht. Weder ob, noch wie viel Geld Hariri erhalten hat.
    Sie überlegten, wie sie den Fall am besten ausschlachten könnten. Möglich wäre eine Serie. Zuerst eine erste Meldung über den Brief des Corbeau. Und dann weiter recherchieren. Allein der erste Artikel wird Wirbel machen. Und vielleicht Neues zutage fördern.
    »Wir machen es so«, sagte der Chefredakteur. »Du hast noch einen weiteren Tag Zeit zu recherchieren. Ruf deinen Freund den Untersuchungsrichter an. Vielleicht hat der auch diesen Brief vom Corbeau erhalten. Wäre ja nicht unüblich. Wenn nicht, umso besser. Dann kannst du mit ihm handeln. In zwei Tagen bringen wir die erste Meldung.«
    Zurück an ihrem Platz in der Redaktion überlegte Margaux, ob sie Jacques anrufen sollte. Der hatte sich aus Marrakesch noch nicht gemeldet. Ob er etwas von dem Attentat mitbekommen hatte? Einen kurzen Moment erschrak sie. War er etwa unter den Opfern? Aber das wäre sofort über die Agenturen gelaufen. Er hätte ruhig mal anrufen können. Und wenn in seinem Büro im Palais de Justice auch dieser Brief des Corbeau eingegangen war, konnte er ihn noch nicht gelesen haben.
    Sie wählte die Nummer von Martine. Aber niemand hob so spät noch ab. Dann versuchte sie es bei Kommissar Jean Mahon. Auch der war nicht mehr im Büro. Jacques? Sie zögerte, dann gab sie seine Mobilnummer ein, und als die Mailbox ansprang, sagte sie ein paar herzliche Worte und: »Ruf mal zurück. Ich hab vielleicht was für dich. Es ist aufregend.«

Der wirkliche Onkel
    S ophie liefen die Tränen aus den Augen. Sie führte Chefarzt Félix Dumas das Video vor, das sie am Morgen im provisorischen Kinderzimmer von Kalila aufgenommen hatte. Das Mädchen spielte auf einem Xylophon immer wieder die Melodie des Kinderlieds »A la claire fontaine – an der klaren Quelle« und wiederholte mit ihrem zarten hellen

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