Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
Sie erstarrt, nur ihre Lippen zittern. Dann klemmt sie die Karte zwischen Daumen und Zeigefinger, als wäre sie mit Pockenviren übersät.
»Vier Personen zum Außenposten Fisher Four«, sagt sie, nachdem sie die Karte durch das Lesegerät gezogen hat, das an ihrer Hüfte festgeschnallt ist.
»Richtig«, entgegne ich mit einem gezwungenen Lächeln.
»Zweck der Reise?«
»Arbeit.«
»Benötigen Sie Waffen für Ihre Arbeit?«
»Normalerweise schon. Wir sind Regulatoren.«
»Ich weiß, was Sie sind«, sagt sie und behält die Karte weiterhin. »Es hat Beschwerden von anderen Passagieren gegeben.«
»Worüber?«
Sie mustert meinen kleinen Finger. »Sie werden diesen Waggon verlassen müssen.«
»Was?«, fragt Vienne mit deutlich erhobener Stimme. »Wir haben für unsere Plätze genauso bezahlt wie ...«
Die Schaffnerin beugt sich über uns, als wollte sie dezent und leise mit uns sprechen, sorgt aber dafür, dass auch die anderen Passagiere sie hören können. »Die Verteilung der Sitzplätze obliegt dem Ermessen des Schaffners. Und ich will, dass Sie diese Sitze räumen. Dalit steht es nicht zu, im gleichen Waggon zu reisen wie anständige Bürger.«
Fuse dreht sich um, bereit, einen Streit vom Zaun zu brechen, aber ich schüttele den Kopf. Auch wenn wir einmal unser Leben dafür riskiert haben, Leute wie dieses übereifrige Ekelpaket zu beschützen, dürfen wir nicht vergessen, dass wir Regulatoren sind. Die Leute halten uns für Abschaum, aber das bedeutet nicht, dass wir uns auch wie Abschaum verhalten müssen. »Wenn Sie es sagen. Wir ziehen um. Fuse, Jenkins – schnappt euch euer Zeug. Wir gehen hier raus.«
»Häh?«, macht Jenkins. »Raus? Wohin?«
»In den Gepäckwagen«, verkündet die Schaffnerin mit lauter Stimme.
»Aber ich habe es mir gerade bequem gemacht!«, jammert Jenkins.
Fuse holt die Taschen aus dem Gepäckfach. »Lass gut sein, Jenks. Du weißt doch, wie das läuft. Man hat uns ja schon öfter die Tür gewiesen, nicht wahr?«
Ein paar Reihen weiter vorn fängt die Runzelfrau zu zischen an. Andere Fahrgäste fallen mit ein. Binnen weniger Sekunden hört sich der ganze Waggon wie eine Schlangengrube an. Die Schaffnerin genießt es offensichtlich, wie sich die Köpfe aller anderen Passagiere zu uns umdrehen. Dann stolziert sie zur hinteren Tür und öffnet sie. Ein metallisches Klicken ertönt, und Wind und Lärm tosen in den Wagen.
Ich warte neben der Tür, als erst Vienne, dann Fuse und dann Jenkins hinausgehen.
Als ich an der Reihe bin, mustere ich die Schaffnerin mit eisigem Blick. »Sie sprechen nicht zufällig Chinesisch?«
»Nein. Warum?«
»Nur so.« Ich klatsche in die Hände und verbeuge mich. »Jiào nĭ sh ē ng háizi zh ă ng zhì chu ā ng.«
»Was heißt das?«, fragt sie.
Es ist Chinesisch und heißt: »Möge dein Kind mit Hämorrhoiden geboren werden.« Aber das sage ich ihr nicht. Stattdessen antworte ich: »Einen schönen Tag noch.«
***
Nach einem langen Marsch durch mehrere Dutzend Waggons und einer jammervollen Litanei von Jenkins erreichen wir den Gepäckwagen. Die wenigen Sitze hier sind fleckig und aufgerissen und befinden sich inmitten der hinter Sicherheitstüren eingeschlossenen Gepäckstapel. Die Schaffnerin sorgt dafür, dass wir die Überwachungskameras bemerken, ehe sie hastig davonhuscht, als wäre ihr plötzlich klar geworden, dass sie gerade einen sehr großen Mann mit einer sehr großen Waffe auf die Palme gebracht hat.
»Nicht gerade erster Klasse«, stelle ich fest, als wir unser Gepäck ein zweites Mal verstauen. »Aber wenigstens haben wir den ganzen Wagen für uns.«
»Hmpf«, macht Jenkins und fasst damit recht umfassend zusammen, was wir alle denken.
Ich nehme meinen Platz ein und mache es mir bequem, um ein wenig zu dösen. Die Reise nach Fisher Four wird einen ganzen Tag in Anspruch nehmen; da bietet es sich an, eine Mütze Schlaf zu erhaschen.
»Also«, sagt Fuse und dreht sich auf seinem Platz um. »Ihr zwei seid schon lange zusammen. Als Davos, meine ich. Ich und Jenkins sind die besten Kumpel seit dem Tag, an dem wir Regulatoren geworden sind. Wir sind beide dienstverpflichtet worden. Meine Erzeuger gehören zur ersten Generation der Immigranten von der Erde. Haben als dienstverpflichtete Diener gearbeitet, bis sie geheiratet und sieben Kinder bekommen haben – sechs Jungs, von denen ich das Baby bin –, und sie haben immer wieder ein paar von meinen Cousins in Pflege genommen. Jenks stammt von den Minenarbeitern ab.
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