Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
es um meinen Vater geht.«
»Jedenfalls bist du ein bisschen schwer von Begriff. Ich sagte doch schon, dass die Bedingungen sich geändert haben. Der Preis für die Schutzmaßnahmen hat sich verdreifacht.«
»Verdreifacht?«, sage ich. »Du hast sie wohl nicht alle.«
»Kannst dir die paar Kröten nicht leisten, was?« Der Kollektor pult mit dem Zündstäbchen eines Feuerzeugs in seinen Zähnen herum. »Mr Lyme sagt, er kann dich in einem untergeordneten Geschäftszweig unterbringen. Da gibt es für so einen netten, strammen Burschen wie dich gutes Geld zu verdienen. Ein Kerl mit deinen Fähigkeiten und deinem Aussehen ist doch ideal für den Warentransport.«
»Welche Ware?«
Er beugt sich nahe an mich heran, damit ich sein Geflüster trotz des heftigen Windes hören kann. »Wonnenspender.«
»Ihr erwartet von einem Chief-Regulator, dass er Schmuggelware transportiert?«
»Keine Schmuggelware! So darfst du das nicht bezeichnen.« Er zwinkert verschwörerisch. »Betrachte es als Pharmazeutika aus unabhängiger Quelle.«
»Vergiss es.« Ich gehe in die Knie und trete den beiden Typen mit einem schnellen Roundhouse-Kick die Beine weg.
Der Kollektor prallt hart mit dem Steißbein auf. Sein Schläger folgt ihm unverzüglich. Beide rollen sich herum und liegen stöhnend auf dem eisigen Asphalt. Staub beschmutzt ihre hellgrauen Talare. Roststreifen bilden sich auf dem Stoff. Es sieht aus wie Blut. Ein Teil von mir wünscht, es wäre welches.
Im nächsten Moment logiert der Lauf meiner Waffe in einem flatternden Kollektorennasenloch.
»Überbring Mr Lyme eine Botschaft von mir«, sage ich ganz ruhig, obwohl mein Herz rast. »Sag ihm, wenn meinem Vater irgendetwas zustößt, trete ich in den Dienst der Konkurrenz. Nachdem ich mein Versprechen eingelöst habe.«
»Ja«, ächzt der Kollektor. »Verstanden.«
Sein Partner hilft ihm auf die Beine, als ich mich entferne.
»Es ist noch nicht vorbei, Junge. Man sieht Mr Lyme nie kommen, aber plötzlich ist er da.«
»Hau ab, Botenjunge.« Ich wedele mit dem Armalite in seiner Richtung. »Verpiss dich.«
Der Kollektor macht eine obszöne Geste, als er davonstolpert. »Wenn du die Waffe nicht gehabt hättest ...«
»Ich habe sie aber. Und ich bin berechtigt, sie zu benutzen. Vergiss das beim nächsten Mal nicht, ehe der Gedanke, ich könnte Medis schmuggeln, noch einmal in der Mikrobe auftaucht, die du Gehirn nennst.«
Eine Sekunde später stürme ich die Stufen zur Röhre hinunter. Mein Zug trifft ein. Ich komme gerade noch rechtzeitig, um ihn zu erwischen.
KAPITEL 12
E AST E ND , N EW E DEN
A NNOS M ARTIS 238. 4. 8. 08:13
Die TransPort-Einschienenbahnstation im östlichen Teil von New Eden erinnert mich an eine Toilette, was an dem miasmatischen, aufgestauten Dunst Tausender von Menschen liegt, die jeden Tag durch die Station kommen, in der lediglich ein knarzendes Lüftersystem die Luft umwälzt. In den Oberflächenstädten in der Nähe des Äquators, Städten wie Valles Martis, ist die Luft klar und atembar. Ein-, zweimal haben Vienne und ich versucht, dort Arbeit zu finden, aber Dalit werden in diesen Städten gemieden, als wäre unsere Anwesenheit eine Art Umweltverschmutzung.
»Blöde verdammte Grubenleute. Blöder verdammter Südpol«, flucht Jenkins, als er seine Taschen in das Gepäckfach über unseren Sitzen wirft. Obwohl gut verpackt in einem Seesack, klimpert seine Kaliber-Fünfzig-Maschinenpistole hörbar, als sie auf dem Boden des Fachs aufschlägt.
»Ich muss doch sehr bitten! Es sind Kinder anwesend«, sagt eine runzlige Frau ein paar Reihen weiter zu uns. Ihre Tochter sitzt neben ihr und wiegt sich im Takt der Musik, die sie über ihre Ohrhörer konsumiert. Die Frau hält dem Mädchen trotzdem die Ohren zu. »Achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise, Sir!«
»Wen nennst du hier Sir? «, gibt Jenkins zurück. »Ich arbeite wenigstens für meinen Lebensunterhalt. Du zitronengesichtige kleine Nutte machst höchstens die Beine breit.«
»Sie Unhold!«, ruft sie entsetzt. »So etwas würde ich niemals tun!«
»Mindestens einmal hast du’s getan.« Er lässt seinen Worten eine rüde Geste folgen. »Es sei denn, das da auf dem Nebensitz ist nicht dein Kind.«
Als sie Jenkins’ amputierten kleinen Finger sieht, verzieht sie den Mund so sehr, dass es aussieht, als wollte sie ihn umstülpen. Zugleich drückt sie den Rufknopf. Jetzt ist Jenkins erledigt. Gleich wird ein Schaffner auftauchen.
»Setz dich!«, fauche ich Jenkins an. »Hör auf, dich wie
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