Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
ein Griff ins Klo ist und ihr es versaut?«
»Das werden wir nicht.«
***
Unser Ausflug führt uns über die Brücke und über eine kilometerweite Steigung durch den höhlenartigen Stollen, der es den Manchesters einst ermöglicht hat, in jeder Stunde tonnenweise Struvit abzubauen. Schienen führen durch den Stollen, und das Gleis ist ungefähr so breit wie meine Schultern und reicht mir bis zum Oberschenkel. In den alten Zeiten hätte in diesen Tunnels ein ohrenbetäubender Lärm geherrscht. Heute hören wir nur das Jammern des Schneemobilmotors.
Draußen empfängt uns eine Landschaft aus hohen, zerklüfteten, schneebedeckten Bergen und tief liegenden Ebenen, getüpfelt mit kümmerlichem, gefrorenem Substrat. Ich komme mir vor wie auf dem Präsentierteller, ganz besonders, als wir uns einer Hügelkette im Norden nähern. Wir tragen schwere Mäntel, die uns die Minenbewohner zur Verfügung gestellt haben. Sie sind mit synthetischen Daunen gefüttert, und die Außenhaut ist wasserdicht.
»Mimi, schau, ob du uns zu einer Tarnung verhelfen kannst. Irgendwann werden wir die Mäntel ablegen müssen, und mit diesem richtliniengetreuen Schwarz fallen wir auf wie ...«
»Bunte Hunde?«, fällt sie mir ins Wort.
»Ja, bunte Hunde. Lass einfach das Programm laufen und übertrage die Codes auf die Anzüge der anderen. Noch was, Mimi ...«
»Ja, Cowboy?«
»Ich hasse es, wenn du meine Sätze an meiner Stelle zu Ende ...«
»Führst.«
Ein Rausch statischer Elektrizität zieht über meinen Körper. Meine Panzerung wechselt die Farbe von Schwarz zu einem digitalisierten Weiß, vermischt mit verschiedenen Grauschattierungen. Ich berühre erst Vienne, dann Ockham, und ihre Panzerungen gleichen sich meiner an.
»Netter Trick«, brüllt Ockham erkennbar beeindruckt über das Dröhnen des Motors hinweg.
Die Morgensonne ist eine kalte, gelbe Sphäre, die ein sonderbares Licht auf die Eisschlieren wirft, aus denen unsere Straße besteht, und ich rieche unsere Auspuffgase in der Luft. Die vier Zylinder des Schneemobils brüllen auf, als ich Gas gebe. Der Tachometer klettert auf sechzig. Siebzig. Achtzig. Fünfundachtzig. Hinter mir schlingt Vienne ihre Arme um mich und quetscht meine Oberschenkel mit den Knien zusammen. Daran könnte ich mich gewöhnen.
Nachdem wir beinahe eine Stunde über die Tundra gehüpft sind, erreichen wir eine Stelle, an der der Pfad sich teilt. Ein Weg führt nach Westen zu einer hoch aufragenden Gebirgskette. Der andere geht weiter nach Norden, wo es ein von Gebirgsausläufern umschlossenes Tal gibt.
»Wohin?«, frage ich, als wir anhalten, um unsere Beine auszustrecken. Ich habe mit Mimi gesprochen, aber Ockham ist schneller.
»Die Spuren führen nach Norden.« Er bückt sich hinunter auf den Boden, der so hart ist wie Glas. »Diese Spuren sind nicht von einem Schneemobil. Die fahren was Größeres mit größeren Abmessungen und einem größeren Motor.«
»Wie viel Vorsprung haben sie?«, frage ich.
»Ungefähr zwanzig Klicks.« Vienne hält den Empfänger hoch. »Und sie sind immer noch in Bewegung.«
»Angeberin«, murmelt Ockham. »Verdammte neumodische Spielzeuge. Möchte sehen, was passiert, wenn die Akkus schlappmachen.«
»Gute Arbeit. Das gilt für euch beide.« Ich werfe den Motor wieder an. »Fahren wir weiter.«
Nach einiger Zeit erreichen wir die Gebirgsausläufer. Dort, so verrät uns das GPS-Signal, ist unser Zielobjekt zum Stillstand gekommen. Unter uns breitet sich das Dræulager wie Schmutz in der Landschaft aus. Dutzende metallener Wohnkapseln bilden einen unregelmäßigen Kreis um ein zentrales Objekt, eine durchsichtige Kuppel, die weitere Wohnkapseln enthält. Genau in der Mitte befindet sich eine Polykuppel mit einem Umfang von mindestens zweihundert Metern. Die Bauweise ist mir vertraut: CorpCom-Militärstandard. An Ressourcen mangelt es den Dræu nicht.
In der Kuppel herrscht hektische Betriebsamkeit, und in weitem Rund treiben sich rudelweise Dræu herum. Sie kehren dem Rest des Lagers den Rücken zu. Ihre Gesichter sind auf die große Kuppel gerichtet, als hätten sie Aufstellung genommen, um Leute am Hinausgehen zu hindern, nicht daran, hineinzugelangen.
»Er ist hier«, sagt Vienne mit einem Blick auf den Empfänger. »Postule ist in der Kuppel.«
»Was ist mit Jean-Paul?«
»Negativ. Ich sehe ihn nicht.«
»Hast du eine Peilung, Mimi?«, frage ich.
»Er ist hier«, sagt sie. »Gib mir etwas Zeit, um seine Biosignatur von der der anderen zu
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