Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
nimmt Schneemobil und Fahrer mit.
»Da, wo die herkommt, sind noch viele mehr!« Ockham feuert zwei Granaten ab. Sie finden ihre Ziele. Zwei weitere Schneemobile explodieren. Dann dreht er sich zu meinem festsitzenden Schlitten um. »Zum Teufel mit dir, Chief. Wage bloß keinen Rettungsversuch. Bring die Mission zu Ende. Bring ...«
Ka-bumm! Eine Mörsergranate aus dem Granatwerfer der Königin wirft Ockham um. Die Dræu, die ihre Chance erkennen, lassen die Motoren aufheulen und rasen auf ihn zu.
»Chief!«, schreit Vienne. »Los! Jetzt!«
Mit einem Gebet auf den Lippen drücke ich erneut auf den Startknopf. Nichts. »Komm schon, du alte Hure«, sage ich leise.
Und drücke wieder auf den Knopf. Zündung! Die Kufen schießen vorwärts und bringen Vienne und ihre Kanone noch weiter von den Dræu weg. Wütend feuert sie trotzdem einen Feuerstoß ab. Die verstreuten Kugeln jagen die Dræu erneut in die Flucht, was Ockham immerhin Zeit gibt, sich wieder auf die Füße zu stemmen. Mit einem Tritt öffnet er die Munitionskiste, als ein Plasmasperrfeuer seine Faustfeuerwaffe in eine Pfütze flüssigen Metalls verwandelt.
Ockham wirft sie weg und bringt das Armalite in Anschlag. Er feuert ein halbes Dutzend Schüsse ab, die Kuhrus Schneemobil treffen. Das Fahrzeug überschlägt sich mehrfach. Aber die Königin ist zu schnell. Noch ehe die Geschosse aufprallen, springt sie vom Rücksitz und feuert ihren Mörser ab, kaum dass sie gelandet ist. Das Geschoss rast auf Ockham zu und zieht eine Dunstfahne hinter sich her.
»Ockham!«, brülle ich.
Im gleichen Moment rast ein zweites Schneemobil auf ihn zu. Es kreuzt den Pfad der Granate, und die Explosion schaltet Fahrer und Schützen aus. Der Rest der Dræu schwärmt herbei, begierig zu töten. Aber der alte Mann hat immer noch einen Trick im Ärmel. Er verstaut eine Licht-Masse-Granate in der Kiste. Dann knallt er den Deckel zu und springt auf den Behälter.
»Re-gu-la-tor!«, heult er. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken.
Nun, ohne die Last der Fracht, beschleunigt der Schlitten auf neunzig Prozent seiner Maximalgeschwindigkeit. Wind, durchsetzt mit Schnee, peitscht mir ins Gesicht. Vor mir breitet sich die Tundra aus wie ein Tisch. Ich sehe mich nicht mehr nach Ockham um, als mehrere Explosionen die Landschaft erschüttern und eine schwarze Rauchwolke freisetzen, die den Sonnenschein auslöscht. Meine Schultern sinken herab. Einen Schönen Tod hat Ockham gewollt. Nun hat er ihn bekommen. Aber das mildert den Schlag nicht. Noch ein Mann gefallen. Noch ein Leben geopfert. Noch ein Regulator verloren.
Ein Moment der Stille zieht vorüber. Nur das Dröhnen der Turbine und das Schleifen der Kufen auf dem Eis sind zu hören. Dann bricht Vienne das Schweigen: »Es ist Ockham! Er lebt!«
Unmöglich. »Mimi?«
»Ich empfange sein Signal nach wie vor, Cowboy.«
»Warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Du hast nicht gefragt.«
Ich wende den Schlitten in weitem Bogen. Tatsächlich. Dort, auf der Anhöhe, stolpert Ockham voran. Ein Arm hängt wie an einem Faden von seiner Schulter. Die Panzerung ist in Fetzen gerissen, der Helm zertrümmert, sein Gesicht verbrannt und blutend, aber er ist es.
»Hol ihn«, ruft Vienne mir zu.
Aber ich kann nicht. Er ist erledigt. Und die Dræu kommen ihn holen. Ich höre sie, ehe ich sie sehe, denn ihr Geheul hallt über die Tundra. Ockham blickt über die Schulter. Panische Furcht treibt seine Beine an, und für ein paar Sekunden läuft er, rennt. Dann sind sie über ihm – ein Rudel Dræu. Rasend. Gefräßig. Sie reißen den alten Krieger zu Boden. Heben ihn mit dem Gesicht nach unten in die Luft und klappen die Mäuler auf, um das Blut aufzufangen, das aus seinen Wunden strömt.
Twip! Twip! Vienne erledigt zwei von ihnen.
»Erschieß Ockham!«, brülle ich.
»Das kann ich nicht. Er muss diesen Schönen Tod bekommen!«, schreit sie.
»Es ist nicht schön, bei lebendigem Leibe gefressen zu werden!«, entgegne ich in gleicher Lautstärke. Zwar spiele ich nicht in derselben Liga wie Vienne, was das Scharfschießen angeht, aber das Ziel ist nah genug.
»Chief, bitte«, sagt Vienne. »Nimm ihm das nicht.«
»Tut mir leid.« Ich ziele, betätige den Abzug und sehe, wie der Kopf des alten Mannes zurückzuckt. Sehe ihn von meiner Hand sterben, der Hand eines Bruders.
Vienne schaut mich an. Ihre haselnussbraunen Augen sind rot gerändert und blicken anklagend, verletzt und ungläubig zugleich. »Wie konntest du ihm das antun?
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