Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)
nimm, was immer du willst.« Sie nagt an der Spitze ihres Fingernagels, genauso, wie sie es damals in der Schule getan hat. »Und was ich will, ist der Schatz.«
»Dann bist du einen weiten Weg ganz umsonst gekommen. Diese Leute haben nicht genug Wasser zu trinken, umso weniger einen Schatz.«
»Schätze, ich werde sie alle umbringen müssen, um es herauszufinden.« Sie streicht mit der Hand über meinen Arm. »Deine Symbipanzerung sieht ziemlich mitgenommen aus. Zu schade. In einer Uniform hast du immer richtig scharf ausgesehen. Und ganz nebenbei nicht so verpeilt.«
Sie zwinkert. Ich könnte kotzen. Aber sie rückt noch näher. Legt mir eine zarte Hand auf die Schulter. »Weißt du, warum ich aufgehört habe, Symbipanzerungen zu tragen, Jake? Sie verführen zur Faulheit. Irgendwann fängt man an zu glauben, niemand könne einem wehtun, und dann achtet man nicht mehr auf Details.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel die Tatsache, dass ich dir gerade ein Klappmesser in den Bauch gerammt habe.«
Ich blicke hinab. Eine Klinge steckt in meiner Panzerung.
»Du hast es nicht einmal gespürt, nicht wahr, mon cher? Beim nächsten Mal wirst du es auch nicht spüren, aber dann wird das Messer in deiner Schädelbasis stecken, dort, wo deine Symbipanzerung dich nicht schützen kann.«
Ich ziehe das Klappmesser heraus und werfe es von der Brücke in die Schlucht. »Du machst mich krank.«
»Was ist los, Jake?«, flüstert sie mir ins Ohr. Ihr Atem fühlt sich in meinem Gesicht warm und feucht an. »Kannst du nicht fassen, dass ich das Mädchen bin, das du geliebt hast? Ist es so schwer zu glauben, dass Menschen sich ändern? Sieh dich an. Du warst einmal privilegiert, Sohn eines CorpCom-Generaldirektors mit allen Voraussetzungen, ein mächtiger General zu werden. Und jetzt führst du ein Davos Dalits , die eine Gruppe Rostköpfe beschützen, die euch für ein bisschen Geld das Fell über die Ohren ziehen würden, wenn sie auch nur die geringste Chance wittern würden.«
Ich zucke mit den Schultern. »Es ist wahr.«
»Ich freue mich, dass du wieder zu Verstand gekommen bist. Was nun diesen Schatz betrifft ...«
»Es ist wahr«, wiederhole ich, packe sie an den Schultern und stoße sie zurück, »dass du nicht das Mädchen bist, das ich kannte. Denn dieses Mädchen war eine verdammt gute Soldatin und ein menschliches Wesen.«
»Ich bin immer noch eine verdammt gute Soldatin, Jacob.« Sie lächelt. Hüpft um mich herum. »Ich habe geheiratet, nachdem du mir den Laufpass gegeben hast, weißt du? Einen CorpCom-Goldjungen mit einem hübschen Gesicht und einem dicken Bankkonto. Rate mal, wo er jetzt ist.«
Ich blicke stur geradeaus. »Nein, danke.«
»Ich habe ihn an die Dræu verfüttert. Das war einfacher als eine Scheidung.« Sie drückt ihren Rücken an meinen und kichert. »Weißt du, ich habe Freunde, mächtige Freunde, die beinahe alles bewirken können. Wirklich alles. Beispielsweise könnten sie einen kranken alten Mann aus dem Gulag befreien.«
»Unmöglich.«
»Alles ist möglich, Jake. Wenn jemand das wissen sollte, dann du. Immerhin bist du überdurchschnittlich intelligent.« Sie schlängelt sich um mich herum, und der Saum ihres Kleides rutscht über ihre Knie. Sie bewegt sich wie Wasser, und das Kleid erinnert mich an die Ringe auf einer Wasseroberfläche. »Sogar weit über dem Durchschnitt, nach dem, was ich gelesen habe.«
»Was hast du gelesen?« Ich wappne mich innerlich. Sie streitet mit mir; genauso gut könnten wir uns einen Messerkampf liefern.
»Nur ein paar Kleinigkeiten aus alten Akten, die ich gefunden habe. Ist es nicht unheimlich, eine andere Person in deinem Gehirn zu beherbergen? Aber in deinem großen Kopf ist ja bestimmt genug Platz, oder?« Sie lehnt sich an meinen Brustkorb und streicht mit den Lippen über meinen Mund. »Beschaff mir den Schatz, Jacob Stringfellow, oder ich verfüttere dich an die Dræu, nachdem ich diese Mine über den Schädeln der Rostköpfe zum Einsturz gebracht habe.«
Ich bewege den Unterkiefer hin und her, spanne meine Lippen, bis sie eine dünne, harte Linie bilden. Schiebe Eceni sacht zur Seite. »Ich glaube, das ist eine leere Drohung.«
»Dann versuch mal, das den Rostköpfen zu erklären, Jake.« Sie tippt mir auf die Nase und macht auf dem Absatz kehrt. »Sie wissen alles über die Dræu und über leere Drohungen.« Als sie davongeht, schwingt ihr Kleid im Rhythmus ihrer Hüften. Ich schaue ihr nach, bis sie den halben Weg über die Brücke hinter
Weitere Kostenlose Bücher