Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)

Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition)

Titel: Das Mars-Labyrinth: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Macinnis Gill
Vom Netzwerk:
zwei Leben. Kein Regulator hat zwei Leben, die er opfern könnte.«
    »Ach, das. Sagen wir, einmal geht aufs Haus.« Wieder versuche ich, mich quietschfidel zu geben, und versage kläglich.
    Sie dreht die Schulter weg von mir. »Du kannst nichts sagen, was ich hören will.«
    »Du bist immer noch wütend«, konstatiere ich.
    Schweigen.
    »Es geht um Ockham.«
    Schweigen.
    »Du denkst, ich hätte seinen Schönen Tod ruiniert.« Und weil ich lieber irgendeine Reaktion provoziere, als erneut ignoriert zu werden, füge ich hinzu: »Aber du irrst dich.«
    »Die Richtlinien irren sich nie«, faucht sie und dreht sich um.
    Ich seufze tief. »Die Richtlinien besagen, dass wir einen Schönen Tod haben, wenn wir im Dienst an unseren Kameraden sterben, und Ockham wäre auf jeden Fall gestorben. Er hat uns allen gedient und dafür gesorgt, dass wir fliehen konnten. Dass ich nicht zugelassen habe, dass die Dræu ihn bei lebendigem Leibe verspeisen, wird ihm im Jenseits nicht den Eingang nach Walhalla versperren.«
    »Deine Kugel hat sein Leben beendet, nicht der Feind.«
    »Und?«
    »Und darum ist er nicht von der Hand des Feindes getötet worden.«
    »Das ist Haarspalterei, Vienne.« Die Stimme meines Vaters hallt durch meinen Schädel: Es sind gerade die schmalen Grate, die uns ausmachen. »Die Richtlinien sagen nichts darüber aus, wessen Kugel das Leben beenden sollte. Wenn der Tod schön sein kann, dann war es auch das Opfer, das er für uns gebracht hat. Ich habe aus Barmherzigkeit gehandelt. Warum kannst du das nicht verstehen?«
    »Es ist nicht deine Aufgabe, Barmherzigkeit zu üben«, zischt sie. »Deine Aufgabe ist es, Chief zu sein.«
    Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Und ein Chief darf keine Barmherzigkeit üben?«
    »Nicht, wenn sie einer Schwäche gleichkommt.«
    Ich ertappe mich dabei, zurückzuweichen, als hätte sie mir eine Ohrfeige versetzt. »Also bin ich jetzt schwach?«
    Sie wartet ein paar Sekunden mit ihrer Antwort, nimmt sich Zeit, die Worte erst noch einmal in Gedanken durchzukauen. »Wenn meine Zeit gekommen ist, wirst du mir dann meinen Schönen Tod verwehren?«
    Das also spukt ihr im Kopf herum. »Wenn es eines gibt, das ich weiß, Vienne, dann, dass du mich überleben wirst.«
    »Du hast mir zweimal das Leben gerettet«, sagt sie. »Antworte mir bitte. Wenn meine Zeit gekommen ist, wirst du mir dann einen Schönen Tod verwehren?«
    »Nein«, sage ich.
    »Danke.«
    »Aber ich werde alles tun, um dein Leben zu schützen. Mir ist egal, wie viele Leben du mir am Ende schuldest.«
    »Warum?«, fragt sie.
    »Weil ich es nicht ertragen könnte, anders zu handeln.« Ich beuge mich vor, streiche mit den Fingerspitzen über ihren Nacken. »Weil ich ...«
    »Sag das nicht!« Sie schlägt meine Hand weg. Presst beide Hände an die Ohren. Kneift die Augen zu. Krümmt sich wie unter heftigen Schmerzen. »Die Richtlinien verbieten es. Ein Auge. Eine Hand. Ein Herz. Du kannst den Richtlinien nicht von ganzem Herzen Genüge tun, wenn ... wenn ...«
    »Zum Teufel mit den Richtlinien«, flüstere ich. »Ich würde lieber über Wenns reden.«
    Sie tut so, als hätte sie mich nicht gehört. Sie liegt nur da, zusammengerollt, bemüht, mich nicht wahrzunehmen, der verletzte Fuß in den Verbänden purpurn angelaufen und geschwollen.
    »Sprich mit mir.«
    Schweigen. Ich ergreife ein Bein des auf Rollen stehenden Betts und drehe es herum, sodass sie nicht mehr der Wand zugewandt ist, sondern mir. »Sprich mit mir, Vienne. Wir haben zu viele Kämpfe gemeinsam bestanden, um ...«
    Sie schlägt die Augen auf. Sie sind voller Tränen. Sie nimmt die Hände von den Ohren, und ihre Stimme ist heiser vor Qual. »Was ich dir jetzt sage, ist alles, was ich zu sagen habe: Du bist ein geringerer Mann, als ich immer dachte. Ich bin eine geringere Regulatorin, weil ich unter dir diene. Ich habe lebenslange Dienste gelobt, und ich werde mich an mein Gelöbnis halten. Und nun habe ich alles gesagt, was ich zu sagen bereit bin. Ich wünschte ...« Sie birgt ihr Gesicht im Kissen. »Ich wünschte, du würdest einfach gehen.«
    Ich drehe das Bett zurück. Atme tief durch. Nicke. Sage Mimi, sie soll aufwachen, da das Gespräch vorbei ist. Hätte ich dieses Zimmer doch nie betreten. Hätte ich doch nie beinahe zugelassen, dass diese Worte über meine Lippen kommen. Könnte ich noch einmal anfangen, ich würde in diesem Punkt anders handeln. Aber den Schuss, den ich abgegeben habe, würde ich jederzeit wieder abfeuern, auch wenn das

Weitere Kostenlose Bücher