Das Matarese-Mosaik
des Barons von Matarese, anscheinend sein Lieblingssohn, weil er bis zu seinem Tode ständig mit ihm in Kontakt geblieben ist. Und daraus erwuchs die Annahme, daß er der Hirtenjunge sei.«
»Und wie ging es dann weiter?«
»Das war für mich der Anlaß, nach logischen Gesichtspunkten weiterzusuchen. In einem der Fragmente habe ich kaum lesbar die Formulierung ›er ist der Sohn‹ entdeckt, die sich dann noch zweimal in zwei verschiedenen Aktenvermerken wiederholten. Und in einem anderen Fragment stand ›wir müssen gehorchen‹. Sagt Ihnen das was, Brandon?«
»Ja«, antwortete Scofield bedächtig. »Das ist die Spur, der Taleniekov und ich auch nachgegangen sind. Aber wie haben Sie es angestellt?«
»Es hat Monate, ja Jahre gedauert, bis wir uns einen Reim darauf machen konnten. Aber dann ist es mir gelungen.«
»Um Himmels willen – wie?«
»Wieder der Leviticus-Faktor – der Hohepriester war eine Ratte.«
»Noch mal, bitte.«
»Unter den an jenem Nachmittag Getöteten war der Ehrengast der Konferenz in Appleton Hall. Er war ein echter Nachkomme der Appleton-Dynastie und dazugeholt worden, um sich von den neuen Besitzern des Anwesens Beifall spenden zu lassen.«
»Sie haben also gewußt, wer sie waren«, sagte Scofield als Feststellung, nicht als Frage.
»Ich ahnte es zumindest. Der Ehrengast war Senator Joshua Appleton III., der Mann, in dem alle den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten sahen. Niemand zweifelte daran; man nahm es als gegeben hin. Er war die populärste Gestalt in der politischen Landschaft. Und er war im Begriff der mächtigste Führer der freien Welt zu werden.«
»Und?«
»In Wirklichkeit war der von allen geehrte Senator gar nicht Appleton; er war schon seit Jahren ein anderer gewesen. Er war Julian Guiderone, der Sohn des Hirtenjungen, gesalbt von Guillaume, dem Baron von Matarese.«
»Ich wußte das, aber wie haben Sie es rausbekommen?«
»Ihr Verdienst, Brandon. Lassen Sie sich von mir Schritt für Schritt in die Vergangenheit führen, so wie Sie damals Schritt für Schritt vorgegangen sind.«
»Ich bin fasziniert«, sagte Scofield. »Ich wollte, Toni wäre jetzt hier.«
»Wo ist sie?« fragte Pryce und lehnte sich gegen die schwankende Bootswand.
»Sie stellt Fragen«, sagte Scofield, ohne näher darauf einzugehen. »Fahren Sie fort, Frank, was war das für eine Spur, der Sie nachgegangen sind?«
»Zuerst ging ich, weil ich Sie ja kannte, davon aus, daß Sie sich eine falsche Persönlichkeit mit den dazugehörigen Papieren aufgebaut hatten, um dorthin zu kommen, wo Sie hinwollten – das war Grundkurswissen. Wie ich erfuhr, entsprach Ihre Legende durchaus Ihren hohen Maßstäben an Kreativität: Ihre Papiere wiesen Sie ganz offiziell als Mitarbeiter
im Stab von Senator Appleton selbst aus. Dann haben Sie, weil Sie ja in so vielen Bereichen im dunkeln tappten, Appletons geistesgestörte alte Mutter am Louisburg Square aufgesucht.«
»Sie war Alkoholikerin, schon seit über einem Jahrzehnt«, fügte Scofield hinzu.
»Ja, ich weiß«, sagte Shields. »Als ich sie zwanzig Monate später besuchte, war ihr Zustand noch genau derselbe.«
»Solange haben Sie gebraucht?«
»Sie waren mir keine Hilfe. Anfänglich hat sie sich nicht an Sie erinnert, aber als ich gerade gehen wollte, hatte ich Glück. Aus heiterem Himmel – ich sollte vielleicht sagen aus dem blauen Dunst – sagte sie plötzlich mit unheimlich klingender Singsangstimme, als spräche da ein völlig anderer Mensch: ›Wenigstens haben Sie nicht darauf bestanden, Joshs altes Zimmer zu sehen.‹ Das war mein erster Treffer, weil ich wußte, daß Sie ihr anderer Besucher gewesen sein müssen.«
»Also haben Sie dasselbe getan.«
»Allerdings. Und das hat mir den zweiten Treffer eingebracht. Besonders weil sie sagte, daß sie nicht mehr dort gewesen sei, seit Joshua Ihren weit zurückliegenden Vorgänger hineingelassen hat.«
»Ich dachte, Appleton sei tot«, fuhr Pryce dazwischen.
»Tatsächlich war der echte Appleton eineinhalb Tage später getötet worden; bedenken Sie, das alles liegt fünfundzwanzig Jahre zurück. Die Whiskygeister hatten in ihr die Oberhand gewonnen.«
»Was war Ihr zweiter Treffer?« bohrte Scofield. »Dieses Zimmer war nicht viel mehr als eine falsche Gedächtnisstätte mit nutzlosen Andenken. Fotografien, Schulwimpel und Segelpreise. Falsch, weil Appleton nie am Louisburg Square gewohnt hat. Er war mit ein paar Wunden aus dem Koreakrieg heimgekommen und ist nach der
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