Das Matarese-Mosaik
Freund von ihm namens Julian Guiderone, der Sohn des Hirtenjungen, der bald ins Weiße Haus ziehen sollte, mit allem Drum und Dran.«
»Großer Gott«, rief Pryce aus. »Sie haben mich also nicht auf den Arm genommen, Bray?«
»Sie meinen, Squinty glauben Sie es und mir haben Sie nicht geglaubt, junger Freund?«
»Nun ja, Sie müssen zugeben, daß Frank eine Menge Lücken gefüllt hat, über die Sie einfach hinweggegangen sind.«
»Aber nicht alle.« Scofield sah zu Shields hinüber. »Hat Crawford Ihnen erklärt, wer einer der Ersatzärzte war?«
»Das hat er allerdings. Er war der prominenteste Schönheitschirurg der Schweiz. Ein Spezialist, in dessen Klinik sich die Reichsten der Welt die Tür in die Hand gaben. Würden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sage, daß er ums Leben kam, als er die Kontrolle über seinen Wagen verlor und in Villefranche in einen Abgrund stürzte? Drei Tage, nachdem er aus Boston zurückgekehrt war?«
»Ich kann nur nicht verstehen, weshalb die Matarese drei Tage lang gewartet haben.«
»Und daß Julian Guiderone, der das Land verlassen hatte, um nicht in Korea kämpfen zu müssen, angeblich bei einem Lawinenunglück in der Nähe des Dorfes Col de Pillon ums Leben gekommen ist, wo man ihn dann auch wegen seiner großen Liebe für die Alpen begraben hat?«
»Ja, das habe ich vor fünfundzwanzig Jahren in den Zeitungsarchiven gelesen. Ich frage mich nur, wer damals im Sarg lag, oder war der bloß leer?«
»Es hat wenig Sinn, das Grab zu öffnen – falls es überhaupt eines gibt.«
»Es hat wenig Sinn, irgend etwas von all dem wieder auszugraben, Frank. Es gibt keine Guiderones mehr. Der Hirtenjunge und sein Sohn sind tot. Wir müssen uns woanders nach den Anführern der Matarese umsehen.«
»Das stimmt vielleicht nicht, Brandon«, sagte Shields leise, und Scofield fuhr mit dem Kopf herum. »Bei Ihrer Abschlußbesprechung
nach dem Einsatz, wenn man es so nennen kann, behaupteten Sie, Senator Appleton – geborener Guiderone – sei an jenem Tag bei dem Schußwechsel in Appleton Hall ums Leben gekommen…«
»Den Teufel habe ich!« brüllte Scofield. »Ich habe diesen Hurensohn eigenhändig erschossen! Durch das zersprungene Fenster, mit meiner Waffe!«
»Aber so ist das damals nicht rübergekommen.«
»Vielleicht habe ich mich ein wenig undeutlich ausgedrückt, ich weiß nicht! Ihr Mistkerle hattet mich als ›Nicht zu retten‹ eingestuft, und mir war wirklich nicht danach, euch irgendeine Trumpfkarte in die Hand zu geben.«
»Wie auch immer, Sie haben damals gesagt, er sei in den offenen Kamin gestürzt, in die Flammen…«
»Genau das war auch der Fall!«
»Die Polizei ist wenige Minuten später am Tatort aufgekreuzt, Brandon. Im offenen Kamin war keine Leiche. Man hat Schleifspuren entdeckt, als ob man einen Körper oder eine Leiche herausgeschleppt hätte. Verbrannte Gewebereste überall, die so plattgedrückt waren, daß man daraus schließen konnte, daß sie Druck ausgesetzt gewesen waren, daß jemand das Feuer ausgetreten hatte. Nach meiner Einschätzung und der der Spurensicherung hat Julian Guiderone überlebt.«
»Unmöglich! … Und selbst wenn, und ich sage noch einmal, das ist unmöglich, wie hätte er dann entkommen können?«
»Wie sind Sie und Antonia entkommen? Dort herrschte ein solches Durcheinander – die Schüsse, die Explosionen in der Kanalisation, die vermutlich Ihr Werk waren -, es war ein einziges Chaos. Ich habe jeden einzelnen Polizeibeamten, jeden Mitarbeiter der privaten Bewachungsgesellschaft verhört, und ein Mitglied des Einsatzkommandos erinnerte sich, daß ein Mr. Vickery und seine Frau, beide völlig verstört, in einem schnell fahrenden Auto am Haupttor erschienen und behaupteten, sie seien Gäste, lediglich Gäste. Sie hätten sich in einem Wandschrank versteckt und waren, als das Feuer einen Augenblick lang nachgelassen hatte, zur hinteren Tür hinausgerannt, wo ihr Wagen stand.«
»Und?«
»Ihre Schwester heißt mit Familiennamen Vickery, Brandon.«
»Sie sind sehr gründlich, das muß man Ihnen lassen, Squinty.«
»Danke für das Kompliment, aber das ist jetzt ohne Belang. Es gab ein weiteres Fahrzeug, eine ähnliche Story. Ein verwundeter Gast in einer privaten Ambulanz, die nie das Krankenhaus erreichte … Das alles läuft darauf hinaus, daß Julian Guiderone, der Sohn des Hirtenjungen, ohne Zweifel noch am Leben ist. Und wenn es auf dieser Welt jemanden gibt, den er im Fadenkreuz haben möchte, dann sind das Sie. Beowulf
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