Das Matrazenhaus
war zu sehen. Er warf in höherer Frequenz aus, parallel zur Uferlinie, und holte jeweils rasch wieder ein. Zwischendurch ruderte er kurze Strecken. Auf diese Weise blieb sein Kreislauf in Schwung.
Der Biss erfolgte, als er es nicht mehr erwartete, knapp vor Waiern, an einer Stelle, an der ein schmaler Aubach in den See mündete. Der Köder ging erst horizontal weg, dann steil nach unten. Der Zug war so heftig, dass Kovacs Mühe hatte, die Rollenbremse zu lockern, um einen Leinenriss zu verhindern. Ein Zander, dachte er, ein mächtiger Bursche. Er freute sich. Andere Möglichkeiten gab es nicht. Die Salmoniden des Sees, Saiblinge und Forellen, brachten es maximal auf einen halben Meter und entwickelten nie derartige Kräfte, Hechte konnten zwar wesentlich größer werden, waren im Kampf aber träge und kapitulierten rasch, und Karpfen gingen sowieso nie auf Gummifische.
Was er am Ende mit dem Kescher an Bord hob, war ein riesiger Döbel, silbrig glänzend, unterarmdick, vielleicht einen Dreiviertelmeter lang, die Augen im Durchmesser wie ein Daumennagel. Kovacs merkte, dass er trotzdem unzufrieden war. Gut – er hatte in seinem ganzen Leben noch nie einen derart kapitalen Weißfisch gefangen; auf der anderen Seite bestanden diese Viecher vor allem aus Millionen von Gräten. »Ein Friedfisch, der sich wie ein Räuber benimmt, hat den Tod verdient, das weißt du«, sagte er und drückte das Tier gegen den Boden des Bootes. Der Döbel gab ein schnarrendes Geräusch von sich. »Du sprichst?«, fragte Kovacs. Er streifte die Baumwollhandschuhe über, um einen besseren Griff zu haben, und holte den langstieligen Hakenlöser aus der Box. Der Gummiköder saß ziemlich tief, ließ sich dann aber doch halbwegs glatt aus dem Schlund ziehen. »Na also«, sagte Kovacs, hob das Tier mit dem Kescher auf und hievte es zurück in den See. Die aufgehende Sonne goss eine Andeutung von Rot über den Fisch, bevor er in der Tiefe verschwand.
Kovacs duschte heiß, schlüpfte in frische Kleider und goss eine Kanne Tee auf. Vor dem ersten Blick in die Zeitung rief er Marlene an. Ich fühle mich schlecht dabei, dachte er, aber es geht nicht anders. »Bist du schon im Geschäft?«, fragte er. Was sie denn seiner Meinung nach um halb sieben im Geschäft machen solle, fragte sie zurück, aber vielleicht habe er einen Vorschlag. Außerdem erlaube sie sich anzumerken, dass er die Festnetznummer gewählt habe, jene der Wohnung wohlgemerkt, und wenn er nicht gefinkelte Umleitungsschaltungen habe anbringen lassen, sei seine Frage daher doppelt merkwürdig. »Ich werde dement«, sagte er, »entschuldige bitte«, und sie sagte, von dement könne keine Rede sein, er zeige lediglich zunehmend die zentralen Eigenschaften eines Ehemannes, Anhänglichkeit und Bedarfsverblödung.
»Bedarfsverblödung? Du bist sauer.«
Sauer treffe es nicht ganz, sagte sie, sie stecke gerade mit dem linken Bein in der Strumpfhose, mit dem rechten noch nicht, falls er es genau wissen wolle, sei also nicht sauer, sondern befinde sich in einem einigermaßen labilen Zwischenzustand. »Ich habe einen Döbel gefangen«, sagte Kovacs.
»Einen was?«
»Einen Döbel.«
Sie schwieg für einige Sekunden. »Moment«, sagte sie dann, »nur damit ich mich auskenne. Verbrecher oder Fisch?«
»Fisch«, sagte er.
»Und? Du fängst doch dauernd Fische.«
»Nicht Döbel.«
Sei also ein Döbel so etwas wie der Weiße Thun oder der Blaue Marlin des Further Sees, oder könne man ihn nur unter Aufsspielsetzung des eigenen Lebens verzehren wie den Fugu, oder was bitte sei an diesem Fisch so besonders?
»Er ist ein Betrüger«, sagte Kovacs. »Ein was?«, fragte Marlene. »Ein Friedfisch, der eine halbe Räuberseele hat und manchmal die eigene Brut frisst.«
»Unsympathisch«, sagte sie, und er darauf, zur Strafe habe die Natur dem Döbel auch so viele Gräten mitgegeben, dass er zum Verzehr völlig ungeeignet sei; diesbezüglich habe sie also nichts zu befürchten. »Beruhigend«, sagte sie; wenn sie zusammenfasse, habe er sie angerufen, um ihr von einem Fisch zu erzählen, den er gefangen habe, wegen dessen problematischer Persönlichkeit und der Gräten jedoch nicht essen werde.
»Genau«, sagte er. »Hast du ihn getötet?«, fragte sie.
»Nein.«
»Nein? Das heißt, er schwimmt nach wie vor herum, spiegelt den anderen falsche Dinge vor und frisst die eigenen Kinder.«
»So ist es.«
»Super, Herr Kommissar!«
Und er ist trotzdem ein eindrucksvoller Fisch, dachte
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