Das Matrazenhaus
einer Reihe von Bildschirmen saßen, IP-Adressen austauschten und Fangschaltungen konstruierten. Am Abend hockten sie dann in einem der Cafés Unter den Linden und verglichen die Namen. Demski trank zwei, drei Pernods, rauchte ein Zigarillo und freute sich, wenn der Akademikeranteil auf den Listen hoch war. Aus irgendeinem Grund hatte er es auf die Ärzte, Lehrer und Pfarrer unter den Kinderfickern abgesehen. Wenn man ihn fragte, warum er dann selbst mit solcher Konsequenz sein Studium vorantreibe, sagte er, weil er wissen wolle, wie diese Säue funktionierten. George Demski hatte einen achtjährigen Sohn, den er hütete wie seinen Augapfel, eine vermutlich magersüchtige Physiotherapeutin als Lebensgefährtin und eine alte Blechente, mit der er gelegentlich sprach. Eleonore Bitterle liebte Demski in der Art, in der sie sich Liebe nach dem Tod ihres Mannes gestatten konnte, und Demski profitierte von ihrer intellektuellen Brillanz. Ob er sie auch ein wenig liebte, wusste keiner. Die beiden arbeiteten jedenfalls zusammen, sooft es ging.
»Und?«, fragte Kovacs.
»Was heißt und?«
»Na, was wohl?«
Ein winziges Lächeln trat in ihr Gesicht. Es habe in den letzten zehn Jahren im Zuständigkeitsbereich der Polizei Furth einhundertsiebzehn Interventionen gegeben, die sexuelle Übergriffe auf Kinder zum Anlass gehabt hätten, sagte sie. Einundsiebzigmal sei es zu einer kriminalpolizeilichen Ermittlung gekommen, dreiundvierzigmal zu einem Strafverfahren und elfmal zu einer Verurteilung. Neunzehn Freisprüche seien erfolgt und dreizehn Verfahrensniederlegungen. »Und das merkst du dir alles?«, fragte Kovacs. »Zweiunddreißig Täter, die davongekommen sind«, sagte sie.
»Oder zweiunddreißig falsch Beschuldigte.«
Eleonore Bitterle ignorierte seine Bemerkung. Apropos sexuelle Übergriffe, es gebe da eine Lösung in der Bahnhofssache. Welche Bahnhofssache, fragte er, und sie sagte, die grün gerahmte Brille. Beim Täter handle es sich um einen Bediensteten des Grazer Stadtgartenamtes, der an seinen freien Nachmittagen herumfahre und Mädchen anquatsche. Die Kollegen in Wiener Neustadt hätten ihn aufgegriffen, als er aus dem Zug gestiegen sei. Mehrere Schülerinnen hätten ohne Aufforderung auf ihn gezeigt. »Das ist sowas von blöd«, sagte Kovacs, »als Päderast trag ich doch keine grüne Brille.«
»Du bist auch keiner.«
»Stimmt. Aber selbst wenn, würde ich keine tragen.«
»Siehst du. Der Herr Stadtgärtner ist wahrscheinlich auch keiner.«
»Sondern?«
Das sehe eher nach einem verklemmten Neurotiker aus, sagte sie, bei dem Erwischtwerden und Bestrafung zur unbewussten Inszenierung gehörten. »Einer, der am Klo masturbiert und sich dann einen halben Tag lang die Hände wäscht«, sagte Kovacs.
»Woher weißt du das?«
»Ich habe auch eine Mutter«, sagte er. Im Übrigen verstehe er nicht, warum sie nicht gleich Psychologie studiert habe, so wie sie mit Neurotiker und unbewusste Inszenierung um sich werfe. Habe sie auch, sagte sie – Jus, Philosophie und Psychologie, alles in Salzburg und nichts davon fertig.
»Und warum nicht?«
»Du hast deine Mutter und ich habe meinen Vater. Aber diese Geschichte kennst du doch.«
Kovacs nickte. Manche Dinge fragte man nach, obwohl man sie kannte. Entweder waren sie so schwer zu glauben oder sie passten einfach nicht. Zu Mrs. Brain passten abgeschlossene Dinge, keine anderen.
Kovacs erkundigte sich nach Verstößen gegen das Kinderpornographiegesetz auf ihrer Liste und Eleonore Bitterle sagte, darin seien sie vor Demskis Andocken an die Interpol-Gruppe eindeutig schlecht gewesen. Das heiße, es gebe nichts außer eine Anzeige gegen einen pensionierten Forstaufseher vor einem Jahr, die aber mit Sicherheit aus Rache erfolgt sei und genau null Substanz besessen habe. Demski werde trotzdem etwas finden, sagte Kovacs, ein VPN oder LFT.
»VPN?«, fragte Eleonore Bitterle.
»Virtual Private Network«, sagte Sabine Wieck, die hinter ihr aufgetaucht war.
»Und LFT?«
»Keine Ahnung«, sagte Kovacs, »habe ich gerade erfunden. Vielleicht eine Lebererkrankung.«
Bitterle zog missbilligend eine Braue hoch. Der Anzeigende sei der Nachbar gewesen und es sei um ein Güterwegsservitut gegangen, also um etwas gar nichts Virtuelles, sagte sie, das habe sich bei der Befragung der Beteiligten herausgestellt. Demski finde auch hinter einem Wegestreit ein Sexualverbrechen, sagte Kovacs.
Soll er doch, in Berlin oder wo auch immer, sagte Sabine Wieck. Sie hatte sich mit
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