Das Matrazenhaus
Weghaupt, wenn er einen Namen brauche.
»Weghaupt? Der ist doch tot.«
»Was du nicht sagst.«
»Wenn du mir drei Punkte streichst …«
»Stell bitte keine Forderungen!«
Florian Weghaupt habe ab und zu Amphetamine bezogen, erzählte der Sheriff nach kurzem Nachdenken, eher kleine Mengen, nie Opiate. Über Cannabinoide könne er nichts sagen, aber das sei inzwischen praktisch unmöglich, da der Eigenanbau den Markt völlig ruiniert habe; insgesamt jedenfalls ein Konsumationsmuster, wie man es bei jungen Kreativen finde. »Konsumationsmuster – du sprichst wie ein Drogentherapeut«, sagte Kovacs. »Suchtmittelberater«, sagte der Sheriff, »Suchtmittelberater im Softcore- und Low-Dose-Bereich.«
»Jaja, so low-dose wie du schlank bist.«
»Genau. Ich hab jetzt übrigens unter hundertfünfzig, Kommissar.«
»Da freuen sich deine Herzkranzgefäße«, sagte Kovacs.
Erdoyan lachte. Was denn Florian Weghaupt seines Erachtens mit jungen Kreativen zu tun gehabt habe, fragte Kovacs. Er wisse es nicht hundertprozentig, sagte der Sheriff, habe aber den Eindruck gehabt, es handle sich um eine Gruppe von Musikern, zumindest hätten sie über nichts anderes gesprochen als über Musik. Das komme ihm bekannt vor, sagte Kovacs und legte auf.
Er nahm den Fußweg, der im Bogen den Achenabfluss entlangführte. Trotz des Windes roch es nach Brackwasser und ein wenig nach Öl. Das war an dieser Stelle immer so. Ein grauhaariger Jogger in schwarz-silber gestreiftem Shirt kam ihm entgegen. Er kannte ihn nicht. Als hinter einer Salweidengruppe am nördlichen Ufer das Krankenhaus und die Hügel oberhalb von Mühlau auftauchten, zweigte Kovacs in Richtung Zentrum ab. In seinem Mund lag ein Hauch von Minze. Sein Arm würde nie wieder wehtun, dessen war er sich jetzt sicher.
Die Sache mit Weghaupt konnte nur ein Unfall gewesen sein. Vielleicht hatten irgendwelche Substanzen eine Rolle gespielt, aber gestoßen hatte ihn niemand. Die Leute verunglückten; sie kamen von Fahrbahnen ab, fuhren gegen Brückenpfeiler oder stürzten von Gerüsten. Unfälle waren häufig, Morde nicht.
Kovacs ertappte sich dabei, wie er ins Schaufenster von Guys & Dolls blickte und nach dem Preisschild eines strassbesetzten, gelben Damengürtels suchte. Als neben ihm ein junger Mann stehen blieb, spürte er in sich eine Mischung aus Zorn und Scham hochsteigen und ging rasch weiter.
Im Büro herrschte eine eigenartige Stimmung. Sabine Wieck querte mit stampfenden Schritten den Gang, Eleonore Bitterle hatte die Tür zugezogen, und Christine Strobl, die Sekretärin, löffelte Joghurt aus einem Becher, ohne den Kopf zu heben. »Was ist los?«, fragte Kovacs, »ein allgemeines prämenstruelles Syndrom?« »Darauf sage ich gar nichts«, antwortete Frau Strobl und aß weiter. Kovacs ging in sein Zimmer. Manchmal wünschte er sich genau das – eine Mannschaft, die bockte und den Dienst verweigerte; und er hätte dann keine andere Wahl, als seine Sachen zu packen und nach Hause zu gehen.
»George hat angerufen.« Eleonore Bitterle stand mit verschränkten Armen in der Tür. »Und?«, fragte Kovacs. Er werde noch zwei, drei Tage anhängen, sagte sie.
»Urlaub oder was?«
Nein, sagte sie, das Pornographentreffen sei aus gegebenem Anlass verlängert worden. »Aus gegebenem Anlass?«, fragte Kovacs. So habe Demski es formuliert. Außerdem habe er gesagt, seine Arbeit könne ruhig liegenbleiben, keiner brauche sich darum zu kümmern. »Und ich Trottel klettere für ihn auf Baugerüste.« Kovacs streckte seinen Arm vor. »Schöner Verband«, sagte sie. George Demski war ein guter Kriminalbeamter, das wussten sie alle. Er war leidenschaftlich, belesen und, wenn es drauf ankam, genau bis zur Pedanterie. Andererseits war er definitiv kein Teamspieler. »In Wahrheit denkt er keine Sekunde darüber nach, ob es hier tatsächlich möglich ist, seine Arbeit liegenzulassen«, sagte Eleonore Bitterle, »außerdem gibt er uns neue Aufträge.«
»Was heißt das, er gibt euch Aufträge?«
Sie seien da mehreren Netzwerken auf der Spur, habe er mitgeteilt. Die Schaltstelle des einen liege in Italien und da es deutliche Hinweise auf österreichische Beteiligungen gebe, habe er sie ersucht, sich alle Fälle der letzten Jahre, die irgendetwas mit Sex und Kindern zu tun gehabt hätten, noch einmal genau anzusehen. »Sex und Kinder«, sagte Kovacs, »ich kann es nicht mehr hören.« Er stellte sich vor, wie Demski und seine Kollegen in Berlin in einem alten Backsteinbau vor
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