Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
Vom Netzwerk:
alles weg. Darunter ist sie ein wenig dunkelblau. Das ist von früher. Sie ist ganz still, als ich dort herumtue. Ich sage zu ihr, ich hab für dich eine Salbe gekauft, eine Zaubersalbe, sie ist in meiner Schreibtischlade.
    Während ich sie eincreme, erzähle ich ihr, wie ich in der Dromedarenapotheke war und zu der kleinen Frau Magister gesagt habe, meine Schwester hat eine Haut, die ist an manchen Stellen so dünn, dass sie ganz leicht wund wird, und wie sie mir dann diese Salbe in der blau-weißen Tube gegeben hat. Sie hört zu. Sie ist immer noch still. Ich sage, sie muss jetzt ein paar Minuten so stehen bleiben, damit die Salbe einziehen kann. Sie steht da und hebt zwischendurch die Arme, so, als wolle ich ihr noch einmal das Kleid ausziehen. Ich kitzle sie unter den Achseln und versuche zu lachen. Sie versucht auch zu lachen. Dann legt sie sich hin.
    Ich sage zu ihr, du liegst da wie ein Siebenschläfer. Sie sagt nichts drauf, aber woher soll sie wissen, was ein Siebenschläfer ist. »Ich weiß, was sie tun«, sage ich und erzähle von dem orangefarbenen Gummischlauch, den sie dir hinten reinschieben, damit du innen drin ganz sauber bist, und dass das nach einer gewissen Zeit nichts mehr nützt, denn meistens tun sie länger mit dir rum. Ich erzähle davon, wie sie dir manchmal die Augen verbinden, wie sie selbst einen Strumpf über dem Gesicht tragen und wie nur der, den ich Bill nenne, nie maskiert ist, weil er hinter der Kamera steht und dort braucht man das nicht. Als ich davon zu sprechen beginne, wer welches Zimmer am liebsten mag, ist sie eingeschlafen. Das macht mich ein wenig verrückt. Ich fasse sie an den Haaren und sage, immer schlafen ist schlecht. Vor ihrem Mund liegt ihr grünes Manka-Ding auf dem Teppich. Ich schiebe es ganz nahe an ihre Lippen heran.
    Später drehen wir eine Runde mit den Fahrrädern. Ich versuche ihr die verschiedenen Automarken beizubringen. Ich habe das Gefühl, dass Autos wichtig sein könnten, kenne aber den Grund nicht. Sie stellt sich ziemlich dumm und sagt zu allen Autos Volvo. Mir passt das nicht, denn gerade Volvos finde ich ein wenig hässlich. Wir fahren in Richtung Fluss und dann den Uferweg entlang, bis sie sich auf dem Schotter zu sehr plagt und umkehren möchte. Eine Weile sitzen wir da und schauen ins schäumende Wasser; die Räder liegen zu unseren Füßen. »Erzähl mir eine Pelikan-Geschichte«, sagt sie schließlich. Manchmal gehen mir die Pelikan-Geschichten ein wenig auf die Nerven, das sage ich ihr aber nicht. Ich erzähle von einem Pelikan, der zum Südpol aufbricht, weil er einen Pinguin zum Freund haben möchte. Alle raten ihm ab, weil es dort finster und kalt ist, doch er lässt sich nicht beirren. Er fliegt über Borneo und Australien und lernt ein Stachelschwein kennen und einen Wombat. Als er am Südpol anlangt, ist es tatsächlich finster und kalt. Die Pinguine wärmen ihn zwischen ihren Speckfalten und ab und zu stecken sie ihm einen Fisch in den Schnabel. Sein neuer Freund ist ganz flaumig und hat keine Ahnung von Pelikanen, aber das macht nichts. Als es nach ein paar Monaten hell wird und wärmer, hat der Pelikan genug und fliegt wieder nach Hause. »Nein«, sagt Switi. »Was heißt nein ?«, frage ich.
    »Noch einmal mit dem richtigen Schluss!«
    »Was ist der richtige Schluss?«
    Der Freund müsse mitfliegen, sagt sie, und als ich sage, ein Pinguin könne aber nicht fliegen, sagt sie: »Dann nimmt ihn der Pelikan auf seine Schultern.« »Oder in den Kehlsack«, sage ich. »Geht sich das aus?«, fragt sie, und ich sage, dass unglaubliche Dinge in so einem Kehlsack Platz haben.
    Auf dem Rückweg hält knapp vor uns ein grauer Chevrolet und wir knallen beinahe in die Fahrertür. Ein Mann steigt aus und schimpft hinter uns her. Switi tritt heftig in die Pedale und schreit laut: »Volvo!«
    Bevor unser Haus auftaucht, sage ich: »Fluchtweg Nummer eins. Ich zeig dir was.« Sie kennt sich aus und biegt an der Blumenhandlung in die Sackgasse ab. Ich überhole sie und wir fahren an den Siedlungshäusern vorbei bis zur Halle mit dem gelben Anstrich. Oberhalb des Tores erkennt man einen altmodischen dunkelroten Schriftzug:Drahtfabrik. Sensenerzeugung. Galvanisierungsanstalt. Ich habe einmal nachgelesen, was Galvanisierung bedeutet, habe es mir aber nicht genau gemerkt. Es funktioniert mit Strom und Säure, das weiß ich noch. Wir schieben die Räder ein Stück die Längsseite der Halle entlang und legen sie unter einem Holunderstrauch ab. Ab

Weitere Kostenlose Bücher