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Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
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hier kann uns von der Straße her keiner mehr sehen.
    An der Südwestecke der Halle steht auf einer Reihe von Holzbrettern eine rostige Blechtonne. Ich rücke die Tonne zur Seite und hebe drei der Bretter auf. Eine schmale Treppe führt nach unten. »Keine Angst. Drinnen ist es hell«, sage ich.
    Die Halle ist innen mehrfach unterteilt, durch Ziegelwände und durch Holzplanken. Mein Raum befindet sich direkt unter einer der gefelderten Glasflächen. »Das ist meine Werkstätte«, sage ich. An der Wand stecken in einer Holzleiste vierunddreißig Sensenblätter, alle völlig verrostet. Auf der Werkbank, die sich den ganzen Raum entlangzieht, liegt eins, das nicht mehr so rostig ist. »Ich mache mir ein Hattori-Hanzo-Schwert«, sage ich, »es ist schwierig, aber ich habe Zeit.« Ich halte ihr das Sensenblatt hin und ermutige sie, es anzufassen, aber sie traut sich nicht. »Es ist noch nicht gefährlich«, sage ich. Sie legt die Arme auf den Rücken und schüttelt den Kopf. »Die Krümmung ist falsch«, sage ich, »das ist die Herausforderung. Da, wo es jetzt stumpf ist, muss es am Ende scharf sein.« Ich zeige ihr mein Werkzeug, einen Hammer und eine Feile, beide aus unserem Schuppen. »Die Feile ist zu fein«, sage ich, »ich brauche noch eine grobe Feile, jede Menge Schleifpapier und etwas, womit ich das Ding zum Glühen bringe.« Switi hört mir nur halb zu. Sie fährt mit dem Finger durch den Staub auf der Werkbank und legt dann ihre Hände hinein, so dass zwei Abdrücke zurückbleiben.
    Als wir wieder zum Holunderbusch kommen, schnüffelt ein kleiner grauer Hund an unseren Fahrrädern herum. Ich kenne ihn, er gehört zum zweiten Haus nach der Blumenhandlung und heißt Findus. Switi weist mit dem Finger auf ihn und beginnt zu lachen. »Er ist ein Wombat«, sagt sie, »ich sage, er ist ein Wombat.«
    Fluchtweg Nummer vier, Gegenrichtung. Den Code am Garagentor weiß ich immer. Die Verrückte hat ein Problem mit ihrer Merkfähigkeit und schreibt ihn auf Zettel; einer ist hinten an den Vorzimmerkalender geheftet. Zwei Buchstaben, drei Ziffern.
    Der X6 ist weg, der Mini steht da. Wir lehnen die Räder an die Wand und gehen leise ins Haus. Man weiß nie, was ihr einfällt. Auf dem Flur bleibe ich stehen und lausche. Nichts. Wir finden sie schließlich im Wohnzimmer. Sie schnarcht. Ein Speichelbläschen bläht sich in ihrem rechten Mundwinkel. Die Medikamenten-Packung liegt vor ihr auf dem Couchtisch. »Wir können raufgehen«, sage ich zu Switi. Sie blickt zu Boden und schüttelt den Kopf. »Du musst«, sage ich.
    Der, den ich Bill nenne, war früher Matratzenverkäufer. Aus dieser Zeit kommen die Vorräte. Dann hat er die Branche gewechselt. Er sagt das überhaupt oft: »Ich habe die Branche gewechselt.« »Für mich gibt es keine Verpflichtung mehr«, das sagt er auch oft, und: »Ich mache nur noch Dinge, die sich auszahlen.« Ich glaube, das sagt er am öftesten.
    Wir beginnen im Blumenzimmer. Ich ziehe die oberste der vier Matratzen vom Stapel und lege sie auf den Boden. Sie ist voll mit blassrosa Blüten. Wir knien uns drauf, pressen die Fäuste rein, legen uns hin. »Das ist eine weiche Schaumstoffmatratze«, sage ich, »gut zu reinigen, aber wenn du längere Zeit drauf schläfst, kriegst du Beschwerden in der Wirbelsäule.« Die große Matratze im gestreiften Zimmer ist eine Federkernmatratze, bei der man die Drähte spürt, wenn man sich fest drauffallen lässt. Die Matratze mit den hellblauen Punkten im weißen Zimmer ist ebenfalls eine Schaumstoffmatratze, nur dicker und fester als die geblümten. Die beiden weißen sind Naturlatexmatratzen mit Kokosfaserschichten mittendrin und einer Liegeschicht aus Baumwolle. Auf ihnen liegt man am angenehmsten, außerdem riechen sie gut. Ich zeige Switi die aufgenähten Schilder, auf denen all diese Dinge stehen. Wenn man davonkommen will, muss man sich auskennen, sage ich, und dann sage ich noch, dass sie die weißen Matratzen nehmen soll, wenn sie die Wahl hat.
     

Dreizehn
    Elf, es bleibt dabei. Sie hat zum vierten Mal gezählt, aber sie werden nicht mehr, elf Kinder aus den ersten Klassen, sieben aus ihrer und vier aus der von Elke Bayer. Julia und Sophie, im Doppelpack wie immer, Leonhard, Stefan, Oliver, Günseli, obwohl sie Muslimin ist, und Lara mit Longbottom, ihrem Labrador-Retriever. Alle haben ordnungsgemäß einen Palmbuschen aus Weidenkätzchenzweigen, Thuje, Buchsbaum und Wacholder dabei, nur Günseli einen Strauß aus Forsythie und Flieder, aber sie muss

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