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Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
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die Beine griff.
    Eine Handbreit über den Hügeln im Norden stand leuchtend gelb Capella, der Kopf des Ziegenböckchens auf der Schulter des Fuhrmanns. Zwischen die Brüste der Kassiopeia schob sich langsam das Blinklicht eines Flugzeugs. Weiter westlich störte die Nachtbeleuchtung des Holzwerks die Sicht. Kovacs steckte die Schutzkappe aufs Okular.
    Eyltz hatte ihm eine Szene gemacht, als er bei ihm gewesen war, um Lipp anzufordern: Was denn das für eine Truppe sei, die für etwas derart Läppisches Verstärkung brauche, und ob Demski wieder einmal universitär privatisiere. Demski vernetze sich international, sexualstraftätermäßig, hatte Kovacs gesagt, und das Läppische sei zugleich das Schwierige – keiner nehme die Angelegenheit ernst und trotzdem rege sich jeder darüber auf. Er solle Demski aus Berlin zurückholen, hatte Eyltz angeordnet, auf einen Tag mehr oder weniger könne es nicht ankommen und Furth sei ja nun wirklich nicht das Zentrum der Kinderpornographie. Michaela Moor, sage er nur, hatte Kovacs geantwortet, und Eyltz hatte gesagt, ja, aber der Fall liege neun Jahre zurück, der Täter sei ein Finanzbeamter aus Wels gewesen und auch sonst habe das Ganze nichts Internationales an sich gehabt – Internetabsprachen oder dergleichen. Mit dem Internet und dergleichen kenne er sich immer noch nicht aus, hatte Kovacs gemeint und war aufgestanden, er wisse, dass das schlecht sei. Eyltz hatte ihm hinterhergerufen, er bekomme Lipp, wenn er ihm verspreche, dass er den Täter bis Ostern habe. »Welches Jahr?«, hatte Kovacs gefragt, aber das hatte Eyltz mit Sicherheit nicht mehr gehört. Er trägt ein neues Sakko, hatte Kovacs im Weggehen gedacht, brauner Tweed mit Lederknöpfen, und er hatte sich vorgestellt, wie Eyltz auf einer dieser Hebrideninseln erst Enten oder Wildziegen schoss und sich dann die Jacke anmessen ließ.
    Er klappte das Stativ zusammen, legte es sich auf die Schulter und stieg die gewendelte Eisentreppe in die Wohnung hinunter. Er lehnte das Fernrohr ins Schlafzimmer und versuchte erst gar nicht, sich noch einmal hinzulegen. Im Wohnraum blieb er stehen und lauschte zur Galerie hin, auf der Charlotte schlief. Nichts. »Wie schläft man als Punk?«, hatte er sie gefragt, sie hatte gesagt: »Im Stehen – damit der Iro nicht kaputt wird.« Er hatte es ihr im ersten Moment geglaubt. Sie hatten Käse und Oliven gegessen und Zitronenlimonade getrunken. Er hatte ihr die Schwarze-Glocke-Geschichte erzählt und danach, wie sich die Hände ihres Großvaters in seinem Gesicht angefühlt hatten und dass es ihn heute noch durcheinanderbrachte, wenn es um so ein Thema ging. Sie hatte ihn skeptisch angeblickt und gesagt, es sei krank, Kinder zu schlagen, egal, ob mit Bambusstöcken, Hosenriemen oder mit der flachen Hand. »Und?«, hatte er gefragt. Sie hatte sich gleich ausgekannt. »Ja, einmal«, hatte sie gesagt.
    »Wann?«
    »Du warst betrunken.«
    »Du täuschst dich. Ich habe erst getrunken, als ihr weg wart.«
    »Du täuschst dich.« Er sei heimgekommen und habe gesagt, der alte Strack sei ein Nazi und habe keine Ahnung von Ermittlungsarbeit, aber saufen könne er, dass einem die Ohren schlackerten. Dabei sei er durch die Wohnung geschwankt, von einer Wand zur anderen, und sie habe sich wild gefürchtet. Als er dann aufs Klo gegangen sei und beim Pinkeln die Tür offen gelassen habe, habe sie zu ihm gesagt: »Das macht man nicht«, und er habe sofort zugeschlagen. Einmal flach, linke Wange, sie wisse es noch genau und sie wisse auch, dass sie bald danach in der Schule über die Wirkungen von Alkohol und Nikotin gelernt hätten und wie schuldig sie sich dabei gefühlt habe. Erste Klasse, diese Dinge lerne man in der ersten Klasse, hatte sie gesagt und er hatte gedacht, dass das offenbar ein gutes Alter war, um geschlagen zu werden. Er hatte sich nicht entschuldigt. So lange im Nachhinein wäre ihm das blöd vorgekommen.
    Er steckte den Wasserkocher an, gab einige Blätter getrocknete Minze in ein Teeglas und goss auf. Der Iro habe gar nichts mit Verwahrlosung zu tun, hatte Charlotte erklärt, ganz im Gegenteil, er müsse täglich frisiert und gesteift werden, was ohne Hilfe einigermaßen gehe, solange er nicht höher als eine Handbreit sei. Nein, von ihrer Mutter habe sie da null Unterstützung zu erwarten, auch nicht bei der Anschaffung von Klamotten übrigens, schwarzes Leder mit Nieten halte sie für höchst verzichtbar. Kovacs war hundertprozentig sicher, dass Yvonne selbst nach wie vor ab

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