Das Maya-Ritual
Fall auch Deirdre gesagt haben.«
Offenbar hatte mir die Stimme gestockt, denn plötzlich fand ich mich in einer tröstlichen Umarmung von Sanchez wieder.
»Von der besten Freundin verraten zu werden«, sagte er sanft, »ist sicher das Schlimmste, was man sich vorstellen kann.«
Ich legte den Kopf an seine Schulter, und dann kamen die Tränen. Ich würde ihm nicht erklären, dass Deirdre nie meine beste Freundin war; und so tief der Schmerz über ihren Verrat auch saß, was mich nun überwältigte, war eine unbeschreibliche Trauer über den Verlust der beiden Männer in meinem Leben, die ich geliebt hatte; und hinzu kam der Liebesentzug durch den dritten.
Wir verharrten lange so, dann aber überfiel es mich schlagartig - Sanchez war an der Vertuschung von Kens Krankheit und Todesursache beteiligt gewesen! »Was erlauben Sie sich«, fauchte ich ihn an und erhob mich von der Bank.
»Was ist los? Was habe ich getan?« Er stand ebenfalls auf und fuchtelte verwirrt mit den Armen.
»Wie können Sie es wagen, mich zu trösten, nachdem Sie Ken Arnold einen so schrecklichen Tod sterben ließen?«
»Hören Sie, Jessica, so war das nicht. Und ich habe ja versucht, mit Ihnen darüber zu reden, Ihnen zu erklären, was passiert ist.«
»Sie haben es vertuscht. Sie haben weder mich noch irgendjemand anderen verständigt, der ihn hätte besuchen können. Und als er schließlich allein und unter Gott weiß welchen Qualen starb, haben Sie Dr. de Valdivia erlaubt, seinen Leichnam so schnell wie möglich zu beseitigen.«
»Kommen Sie, nehmen Sie doch bitte noch einen Moment Platz.«
Ich blieb mit verschränkten Armen stehen, während er sich unbeholfen auf die Bank setzte.
»Sie glauben wahrscheinlich, wir hätten Sie beide seit Ihrem Tauchgang im Zenote überwacht. Das war nicht der Fall. Nachdem Dr. de Valdivia uns seinen Verdacht mitgeteilt hatte, der Organismus könnte den Heiligen Brunnen erreicht haben, wiesen wir die Krankenhäuser in der Region darauf hin, nach ungewöhnlichen Symptomen Ausschau zu halten. Außerdem gaben wir Ihre Namen an die verschiedenen Kliniken in Cancun und Cozumel weiter und baten darum, uns zu unterrichten, falls Sie irgendwo als Patienten eingeliefert würden.«
»Warum konnten Sie uns nicht warnen?«
»Wozu Sie beunruhigen? Falls Sie infiziert waren, hätten Sie ohnehin wenig anderes tun können, als ins Krankenhaus zu gehen. Und höchstwahrscheinlich sterben. Wie sich herausstellte, unternahm Senor Arnold nichts, als die ersten Symptome auftraten, und dann war es zu spät. Wir hatten keine Ahnung, dass er gelähmt zu Hause lag. Bei seiner Einlieferung musste er streng isoliert werden, deshalb waren die Aussichten gering, dass Sie ihn noch einmal zu Gesicht bekommen hätten. Er erhielt die bestmögliche Pflege, aber die Ärzte konnten nicht viel für ihn tun, außer seine Schmerzen zu lindern, was einschließlich Dr. Flores auch alle taten.«
»Um dann aber darüber zu lügen, was ihm zugestoßen war…« Ich setzte mich wieder auf die Bank, ein Stück von Sanchez entfernt.
»Das war die offizielle Politik… wir mussten es geheim halten. Ich entschuldige es nicht. Es tut mir Leid, dass es so geschehen musste.«
»Ich wünschte nur, ich hätte ihm die Hand drücken können… ihm Lebwohl sagen.« Ich schluchzte.
Sanchez blickte mir unverwandt in die Augen. »Glauben Sie mir, Jessica, Senor Arnold hatte es nicht verdient, dass ihn irgendwer so sah.«
57
Eine Stunde nach dem Abendessen gähnten wir alle drei im Kartenraum um die Wette - Elena, Sanchez und ich. Kapitän de Tajedo, ein freundlicher Mann mit einem buschigen Schnauzer à la Zapata, hatte uns eine Mahlzeit servieren lassen, begleitet von einem ausgezeichneten chilenischen Cousino Macul Cabernet. Er hatte bei dieser Gelegenheit außerdem verkündet, dass die Holtzinger vor Mitternacht umkehren und wieder Kurs auf den Golf nehmen würde.
Wir spekulierten noch immer darüber, was CRABFISH zu bedeuten hatte, allerdings kam wirklich nicht viel dabei heraus, der Wein schien unsere Denkprozesse zu hemmen. Elena brachte uns schließlich zum Lachen, als sie erzählte, sie habe das Wort im Vorbeigehen gegenüber ein paar Matrosen erwähnt, und die hätten geantwortet, es höre sich an wie eine übel riechende Geschlechtskrankheit.
Und dann sah ich es. Obwohl ich schon zuvor den Gedanken erwogen und wieder verworfen hatte, bei der Verbindung der zwei zoologischen Begriffe könnte es sich um eine Klassifizierung handeln, wie in
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