Das Maya-Ritual
Anfang zwanzig. Es handelte sich wahrscheinlich um einen jüngeren Spezialeffektestreifen, den ich nicht gesehen hatte.
Elena strahlte, als ihr der Titel einfiel. »Key Largo, so hieß er.«
Ich fragte mich, ob es ein Remake davon gegeben hatte.
»Er ist in Schwarz-Weiß«, sagte sie.
»Sie meinen den Film mit Bogey und Bacall?«
»Natürlich.«
Es war einer der weniger romantischen Filme, die sie zusammen gedreht hatten, soweit ich mich erinnerte.
»›Meine erste Liebe war ein Boot‹«, zitierte Elena mit leicht feuchten Augen.
Aha, das erklärte die Sache.
»Da hält Edward G. Robinson, der aus Kuba gekommen ist, diese Leute in dem Hotel gefangen…«
»Ja, jetzt weiß ich es wieder«, sagte ich.
»Und dann ist da dieser hochmütige alte Mann, dem das Hotel gehört, und Bogart, der den zynischen Exsoldaten spielt…«
»Hmhm.«
Ich zeigte wenig Interesse, aber Elena war nicht aufzuhalten.
»Es gibt so wundervolle Gespräche zwischen diesen drei Männern, die alle einen anderen Hintergrund…«
»Alle einen anderen Hintergrund…«, flüsterte ich.
»Genau - das ist es«, fügte ich laut an, aber Elena hörte mich nicht, da sie mit ihrer Zusammenfassung der Handlung fortfuhr.
Aus irgendeinem Grund erschloss dieser Ausdruck, worauf der Traum über Manfred hingewiesen hatte. Wir drei im Bild - Deirdre, Manfred und ich. Drei Leute mit völlig verschiedenem Hintergrund. Doch was hatten wir gemeinsam? Wir waren natürlich Mitglieder von Greenpeace gewesen. Aber darüber hinaus hatten wir uns alle drei aus demselben Grund der Organisation angeschlossen - aus Empörung über die Bombardierung der Rainbow Warrior durch die Franzosen, als wir Teenager waren.
Was sagte mir das? Nicht viel. Ich musste dem Faden weiter folgen.
Wo waren dieser Akt internationaler Sabotage und diese Mordtat verübt worden? In Neuseeland - auf dem Territorium eines anderen Landes. Und was hatte Deirdre über die Ökokriege der Zukunft gesagt? »Vielleicht werden kleine Gruppen die Art Sabotage verüben, die Frankreich gegen Greenpeace versucht hat… Versenke ein Boot, und du versenkst die Bewegung… Übernimm keine Verantwortung… Es ist die Botschaft, die zählt, nicht die Unterschrift.«
Versenke ein Boot, und du versenkst die Bewegung.
Greife etwas an, das relativ klein ist, aber von derart symbolischer Bedeutung, dass das, wofür es steht, möglicherweise irreparabel beschädigt wird.
Übernimm keine Verantwortung. Genauso hatten die Cruzob gehandelt.
Es ist die Botschaft, die zählt, nicht die Unterschrift. Wo würde man eine tödliche Biowaffe hinterlassen, damit die Aussage, die man machen will, am deutlichsten gehört wird? Das würde davon abhängen, wie die Botschaft lautet…
Ein Hubschrauber flog hoch über mir vorbei, seine Rotorblätter glitzerten wie Libellenflügel. Dann hörte ich, wie er sich dem Schiff vom anderen Ende her näherte. Sanchez war wieder da.
56
Sanchez entstieg dem grauen Marinehelikopter mit einem Lächeln im Gesicht. Elena und ich standen über die Reling des Freizeitdecks gebeugt, und während er sich unter die Rotorblätter duckte, hob er den Blick und winkte uns zu.
In weniger als einer Minute war er bei uns auf dem Deck und begann schon im Näherkommen, leicht aufgeregt zu erzählen.
»Uns ist ein großer Durchbruch gelungen… wir haben eine Verbindung zwischen den Cruzob und Dermot O’Kelly entdeckt…«
Er stand neben mir und holte tief Luft, dann fasste er mich am Ellenbogen und führte mich in eine Ecke des Decks. Wir lehnten uns beide an die Reling, die Sonne im Rücken, den Seewind im Gesicht. Elena sammelte ihr Buch und ein paar andere Habseligkeiten ein und ging nach unten.
»Die Kubaner haben Kan Eks Stellvertreter aufgegriffen, einen Kerl namens Xiu. Wenn ich mich recht an Zedillos Bericht erinnere, war er an jenem Abend mit Kan Ek in der Jazzkneipe.«
»Da war so ein Kleiner, sehr breit, eindeutig Maya.«
»Das ist Xiu. Er ist in einem gemieteten Büro aufgetaucht, das O’Kelly als Stützpunkt diente, und wollte ein großes Bündel Cash abholen, das Dermot den Cruzob schuldete. Aber wie es aussieht, hat der Ire Leine gezogen, auf seiner hochseetüchtigen Motoryacht - dieselbe, mit der er die illegalen Einwanderer schmuggelt. O’Kelly hatte eine Ladung Amhax zur Hälfte bezahlt, die andere Hälfte sollte bei Restlieferung bezahlt werden, und genau diese Ladung haben Alfredo und Ihre Freundin Deirdre auf hoher See abgeliefert. Xiu wusste nichts über den
Weitere Kostenlose Bücher