Das Maya-Ritual
Haufen Unsinn. Ich und Mayarebellen.«
»Ja. Ich glaube, in Wahrheit beunruhigt sie mehr die Frage, warum ich noch einmal in Chichen Itza war.«
»Du glaubst immer noch, dass die Erklärung für Kens Tod dort zu finden ist, oder? Du kommst nicht davon los.«
»Ich hatte vorhin einen fürchterlichen Traum über Manfred. Ich war wütend auf ihn. Ich glaube, weil ich ihm nie Lebewohl sagen konnte. Aber bei Ken kommt noch etwas hinzu - es ist noch nicht ganz geklärt, wie er starb.«
»Aber Dr. Flores hatte alle Antworten parat.«
»Ja. Alles so sauber und ordentlich. Nur dass der Schein, den sie dir zeigte, lediglich die ›Todesursache‹ angibt. Ich bin mir sicher, rein technisch gesehen, stirbt mindestens die Hälfte aller Menschen an Herzversagen.«
»Aber was ist mit dem Schlaganfall… der Lähmung?«
»Maria gab sich große Mühe, seinen geistigen Zustand zu erklären, als sie ihn fand. Und weißt du was? Er war bei vollem Bewusstsein.«
»Hm… Aber das ist nach einem Schlaganfall immer noch möglich, glaube ich.«
»Mag sein. Aber laut Dr. Flores wurde Ken ›bewusstlos zu Hause vorgefunden‹. Das waren ihre Worte.«
»Ich seh schon, du musst dir einfach Klarheit verschaffen. Den Finger in die Wunde legen sozusagen.«
»Das stimmt - ich muss der Sache auf den Grund gehen.« Ich stand auf, um ins Haus zu gehen. »Und wenn es dir recht ist, werde ich die nächsten paar Stunden an diesen Wasserproben arbeiten.«
»Ja, das passt mir gut. Ich will einfach nur ausspannen. Vielleicht fahr ich ein bisschen mit dem Boot raus zum Sonnenbaden. Wär das in Ordnung?«
»Ja, gut. Wir haben heute keine Buchungen.«
Auf dem Weg in die Küche fiel mir Alfredos Nachricht über meine Eltern wieder ein.
Als ich das Telefon zur Hand nahm, überlegte ich, wie ich einen Besuch bei meinem Vater in Cancun einschieben konnte, falls das sein Plan war. Ich hatte nicht nur die Proben zu analysieren, was möglichst bald geschehen musste, sondern wollte es auch noch irgendwie zu Dr. de Valdivias Beerdigung am nächsten Vormittag in Mérida schaffen.
Meine Mutter war am Apparat. »Jessica, Kind. Wir waren in West Virginia, als du angerufen hast. Tut mir so Leid wegen Ken. Wie geht es dir?«
»Mir geht’s gut, danke. Ich höre, Dad kommt hier runter?«
»Ja, er musste gegen vier in Cancun sein. Er und einige andere Mitglieder des Missionsausschusses der Kirche wollten unseren mexikanischen Brüdern in dieser schwierigen Zeit für unsere beiden Länder ihre Verbundenheit bekunden. Und natürlich an deinem Verlust teilhaben.«
»Verstehe.« Meiner Mutter fehlte die Raffinesse, es geschickter zu verkleiden. Ich war nur eine Art nachträglicher Einfall. Reiner Zufall, dass ich in der Nähe von Cancun lebte, wo der Missionsausschuss einen Versammlungsraum hatte. »Na, er wird sich ja sicher melden, wenn er da ist.« Nach ein paar belanglosen Worten über ihren Ausflug in die Appalachen verabschiedeten wir uns, und ich legte auf.
Was immer geschehen mochte, wenn mein Vater eintraf, es würde keine Versöhnung zwischen uns werden.
Als ich nach unten ging, war Deirdre im Laden und unterhielt sich auf ihrem Weg zur Anlegestelle mit Alfredo. Ich hörte, wie sie ihre Vernehmung durch die Bundespolizisten dramatisierte. Unten angekommen, sagte ich: »Warum macht ihr beiden Freizeitpatrioten nicht hier dicht und fahrt mit dem Boot raus. Ich brauche eine Weile meine Ruhe.«
Alfredo wirkte verlegen, als hätte ich gerade seine tiefsten Geheimnisse durchschaut. Dann wurde mir klar, dass er tatsächlich in Deirdre verknallt war und dass ich mich benommen hatte wie eine Mutter, die unwissentlich die Sehnsüchte ihres Sohnes fördert, indem sie einen Kontakt zwischen ihm und ihrer besten Freundin arrangiert. Und dabei hatte ich immer noch mit meiner Rolle als Tochter zu kämpfen - welche Ironie.
Mein erster Schritt bestand darin, Herbert Kastner anzurufen, den Leiter der Meeresmikrobiologie am Florida Marine Research Institute in St. Petersburg. Da ich nicht genau wusste, wonach ich suchte, konnte ich den Streuwinkel verringern, indem ich einen Mikrobiologen zu Rate zog, der mehr über krankheitserregende Süß und Salzwasserorganismen wusste als irgendwer sonst.
»FMRI, Bayboro Harbor«, meldete sich eine weibliche Stimme am Empfang.
»Professor Kastner, bitte. Sagen Sie ihm, es ist Jessica Madison.« Ich musste warten, während sie verschiedene Abteilungen anrief, um den rührigen Sechzigjährigen aufzustöbern, der selten in seinem
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