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Das Maya-Ritual

Das Maya-Ritual

Titel: Das Maya-Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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gesamte morgige Tag draufgehen, und ich muss zu dieser Beerdigung in Mérida. Und wenn ich es auf übermorgen verschiebe, wird ein Teil des Probenmaterials inzwischen verdorben sein.«
    »Ich wollte nur darauf hinweisen, dass ich dich drei Jahre lang nicht sehe, und wenn es dann so weit ist, machst du mich zu deinem Botenjungen.«
    »Und genauso kommst du nicht nach Yukatan, um mich zu sehen, sondern um dich mit deinen Konvertiten zum Beten zu treffen.«
    Er kannte meine Ansicht zur protestantischen Missionierung Mexikos. Dass der Katholizismus als Religion zu den Leuten passe, weil er mit ihren alten Überzeugungen verschmolzen war, dass es aber eine hinlänglich traumatische Erfahrung gewesen sei, als man ihnen diese Religion vor fünfhundert Jahren aufgezwungen hatte, und es keiner weiteren christlichen Bekehrungswelle bedurfte. Ihre missionarischen Ziele waren zehntausend Bekehrte bei voraussichtlich einer Million Gesamtbevölkerung im Korridor Cancun-Tulum bis Ende des ersten Jahrzehnts des einundzwanzigsten Jahrhunderts.
    Wir schwiegen beide verletzt.
    »Ich habe dir vor etwa einem Monat einen Artikel geschickt«, sagte er schließlich.
    »Ich weiß, Dad. Die Theorie des Intelligent Design. Aber mich zu bitten, das ernstlich in Erwägung zu ziehen, ist, als würde man dich bitten, deine Missionierungspläne zu revidieren - die Missionare ihre Zelte abbrechen zu lassen und sie nach Hause zu schicken.«
    »Der Vergleich ist unfair, Jessica. Denn um einige der Vorstellungen des Intelligent Design anzunehmen - einige, sage ich, nicht alle -, musste ich meine Position bereits ändern. Mit anderen Worten, ich habe mich weiterentwickelt, während du stur auf deine Ansichten fixiert bleibst.«
    Das war ein gutes Argument und geschickt formuliert; aber wie gern hätte ich ihn in diesem Augenblick in den schwarzen Tiefen einer Unterwasserhöhle ein kurzes Stück landeinwärts geführt, meine Taschenlampe angemacht und auf ein Geschöpf gerichtet, das sich rückwärts entwickelt hatte, indem es Körperteile abwarf, statt neue zu bilden - ein farbloser Fisch mit nutzlosen Augen, dessen bunter, des Sehens fähiger Vorfahre ein paar hundert Meter entfernt im offenen Meer schwamm. Nachdem es sich in seiner Entwicklung an den maritimen Lebensraum angepasst hatte, war das Tier in späterer Zeit in die Dunkelheit geschwommen und hatte über Bord geworfen, was es nicht zum Überleben brauchte: lichtempfindliche Organe oder einen sichtbaren Körper - ein Beispiel dafür, wie Mutation zur natürlichen Auslese von Organismen führt, die bestmöglich an ihre Umgebung angepasst sind, ein zentraler Lehrsatz der Evolutionstheorie.
    »Womit wir wieder bei unserer alten Auseinandersetzung wären«, sagte er, als ich nicht antwortete. Er nahm seine Brille ab und rieb sich die Augen. »Ich habe deiner Mutter versprochen, dass ich mich bemühen werde, nicht mit dir zu streiten. Und mein Glaube verlangt von mir, zu vergeben und zu vergessen.«
    »Dann tust du es also? Du lieferst die Proben ab?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Dad, tu es für mich, und ich verspreche, ich lese den Artikel über Intelligent Design. Ich schreibe dir sogar meine wohl überlegte Meinung dazu.«
    »Ich habe ihn dir geschickt, um damit zu zeigen, dass ich meine Ansicht ändern könnte. Vielleicht kannst du ebenfalls ein bisschen was abgeben.«
    »Ich lese ihn, versprochen.«
    »Also gut, ich mach es. Und jetzt muss ich noch ein Kreuzworträtsel beenden, bevor ich schlafen gehe.«
    »Ich nehme mir für heute Nacht hier ein Zimmer, damit ich am Morgen zu dieser Beerdigung gehen kann. Die Kühlbox lasse ich in deinem Zimmer, wenn ich darf. Sie ist versiegelt und an Herbie Kastner am Institut in Bayboro Harbor adressiert.«
    Mein Vater schaute verwirrt.
    »Das FMRI. In St. Petersburg, auf der anderen Seite der Bucht. Wo ich gearbeitet habe, weißt du noch?«
    »Ah. Ja.«
    Dann fiel mir ein, dass er mich nie am Institut besucht hatte, obwohl es nicht einmal eine Stunde Fahrzeit von unserem Zuhause in Tampa entfernt lag. Meine Mutter war jedes Mal allein gekommen.
    »Wenn Mom dich am Flughafen abholt, kann sie dich in zwanzig Minuten hinfahren.«

33
    Der Friedhof in Mérida hätte überquellen müssen vor Leuten, wenn alle Teilnehmer des Trauergottesdienstes für Dr. de Valdivia mit nach draußen gegangen wären. Aber der Ausläufer eines tropischen Sturms über dem Golf von Mexiko fegte über den Nordwesten Yukatans und sorgte mit anhaltenden Regengüssen und

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